TagPopkultur

Alles Porno

A

Auf der Mädchenmannschaft wurde heute ein Link zu einer Umfrage über Pornografie-Konsum gepostet. Ein Thema, das auch mich gerade sehr beschäftigt. Eigentlich bin ich (noch) gar nicht dazu in der Lage, meine Befürchtungen und Kritikpunkte strukturiert zu artikulieren, es sind vielmehr unzählige Fragen, die sich mir stellen. Pornografie, Pornografisierung und Sexualisierung sind zwar Schlagworte, die seit ungefähr zehn Jahren immer wieder in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion auftauchen, aber meist wird da recht oberflächlich diskutiert. Gerade von feministischen Wissenschafter_innen werden diese Themen meiner Ansicht nach vernachlässigt – obwohl sie uns doch alle betreffen. Ja, wir sollten etwas dazu zu sagen haben.

Aber einerseits sind da der 80er Jahre Feminismus und die psychologische Medienwirkungforschung, mit der wir uns nicht identifizieren möchten und die auch zu Recht kritisiert werden. Pornografie per se als Frauenunterdrückung zu definieren, wie das etwa Dworkin und Mac Kinnon getan haben, kann nicht die Antwort auf dieses komplexe kulturelle Phänomen sein. Und im Rahmen von Medienwirkungsstudien werden oft die falschen Fragen gestellt. „Werden Pornografiekonsumenten zu Vergewaltigern?“ – diese Frage beinhaltet bereits äußerst problematische Vorannahmen, sodass sie wohl kaum dazu geeignet ist, brauchbare bzw. differenzierte Forschungsergebnisse hervorzubringen.

Auf der anderen Seite kann ich auch mit vielen kulturwissenschaftlichen Zugängen nicht viel anfangen. Wenn da etwa der aktive Umgang von (aktiven!) Rezipientinnen mit pornografisierter Kultur untersucht und herausgefunden wird, dass junge Mädchen ihre eigenen Wege entwickelt haben, damit umzugehen und nicht als „Opfer“ definiert werden können, dann frage ich mich: Und was nun? Was tun mit diesen Erkenntnissen? Ist hier Systemkritik zu finden?

Irgendwie muss es auch ein Dazwischen geben – zwischen totaler Ablehung und „anything goes“. Mir selbst bereiten verschiedene Entwicklungen Unbehagen. Zum Beispiel der Porno Chic in der Popkultur. Diese Pimp-Kultur, die sich in Musikvideos, Perfomances, Bühenshows, Filmen und Werbung durchgesetzt hat, vermittelt ein Bild, das (sprachlose) Frauen im Bikini oder knappen Outfit fast schon als unerschöpfliche Ressource darstellt. Egal, was da über den Bildschirm flimmert, wer etwas auf sich hält, wird von einem Tross von fünf bis zehn weiblichen Models begleitet. Wachsen diese Frauen eigentlich auf den Bäumen? Wer sind diese Frauen? Wissen wir irgendetwas über die Frauen, die sich in den Musikvideos des Porno-Regisseurs Snoop Dogg räkeln?

Sie waren wohl schon immer da. Normal. Mainstream. Deshalb finden es junge Frauen und Männer wahrscheinlich auch nicht mehr ungewöhnlich und erfreuen sich an den pornografisierten Videos von Britney Spears und Co. „Die Frauen machen es doch freiwillig“ ist ein Argument, das mir häufig begegnet. Für mich ein Null- Argument. Abgesehen davon, dass ich trotzdem nicht jeden Tag von (heterosexistischer) Pornografie umgeben sein möchte, gibt es sehr viel, das von Menschen freiwillig gemacht wird und nicht alles, was Frauen machen, ist toll. Oder wollen wir etwa, dass Eva Herman und Barbara Rosenkranz politisch einflussreich agieren können?

Ich möchte auf keinen Fall den Begriff des „falschen Bewusstseins“ bemühen, aber da gibt es doch zum Beispiel die Theorien von Pierre Bourdieu, die sich damit auseinandersetzen, wie Menschen soziales Kapital erwerben und sich um Aufstieg und Ansehen in einem System bemühen und dazu die Mittel nützen, die in diesem System zu Belohnung führen. Aber vielleicht mögen wir auch in einem System der unzähligen „Post-…“-Phänomene explizite Kritik nicht so gerne. Und wir sind gerne zynisch und decodieren kulturelle Codes auf ironische Weise. Pornographie kann ganz schön cool sein.


Clinique Werbung. Oh, right, I get it.

In Österreich ist etwa Renee Pornero eine Zeit lang von den Medien recht hofiert worden. Über die ehemalige Pornodarstellerin und Pornoproduzentin kann und möchte ich nichts sagen, aber den Umgang mit ihr finde ich doch ziemlich symptomatisch. Pornero bloggt (als eine der wenigen Frauen) auf dem beliebten österreichischen Blog „ZiB21“ und wird dort folgendermaßen vorgestellt: „Als ‚Ösimösi‘ anfangs nur der deutschen Szene ein Begriff, eroberte sie vor wenigen Jahren auch den für Porno relevanten Stadtteil von Los Angeles, was in Filmen wie ‚Throat Gaggers‘ (Rachenputzer) bis heute eindrucksvoll dokumentiert wird. Ihr Markenzeichen war von Anfang an ihre bemerkenswerte Kehrseite und ihre Haltung war stets von den zwei Worten ‚No Limits‘ geprägt.“

Nun, ich habe diesen Pornotitel in eine Suchmaschine eingegeben und bin auf ein Video gestoßen, in dem zwei Frauen würgen, um Luft ringen, weinen und spucken. Währenddessen werden sie von zwei Darstellern beschimpft, deren Gesichter (wie so oft in „Gonzo“-Pornos) nicht zu sehen sind. Was dort also „eindrucksvoll dokumentiert“ wird, erzeugt bei mir eher Übelkeit. Wenn ich deshalb „sexualitätsfeindlich“ sein soll, dann läuft mit den Begrifflichkeiten meiner Meinung nach etwas falsch. Auch viele andere Dinge in Mainstream-Pornos gefallen mir nicht. Zum Beispiel die Darstellung von lesbischem Sex. Wobei hier „lesbisch“ wohl das falsche Adjektiv ist, denn Sex zwischen Frauen gehört in den meisten Mainstream-Pornos zum Standard-Repertoire und dient eher zur Belustigung der Pornodarsteller, die den Frauen dann geben, was sie „wirklich“ brauchen.

Und um doch noch einmal auf mögliche Medienwirkungen zurückzukommen – mir sind schon viele Männer begegnet, die beim Wort „Lesbe“ an zwei nackte Models mit künstlichen Fingernägeln denken. Was Pornofilme Männern erzählen, an die sich zu 99 Prozent richten, ist ebenfalls ein eigenes Kapitel. Sie scheinen ausschließlich aus einem dauerharten Penis zu bestehen, der von (mehreren) Frauen bearbeitet wird, andere Bedürfnisse scheinen erst gar nicht zu existieren.

Und wenn ein Großteil der Pornofilme nach diesem Rezept produziert werden, dann ist es auch ziemlich egal, dass es „so ziemlich alles“ auf dem Markt gibt. Die Tatsache, dass es anspruchsvolle Kunstfilme gibt, hat die Qualität von Action-Streifen auch nicht verbessert. Ganz im Gegenteil, die Konsument_innen sind zunehmend abgestumpft, neue Reize müssen her.

Und worauf wollte ich jetzt eigentlich hinaus? Ich denke, dass wir neue (theoretische) Zugänge zu diesem Themenkomplex brauchen,  gezielte Aufmerksamkeit, neue Begrifflichkeiten, eine andere Sprache. Und eine breite öffentliche Debatte, die über Kinderschutz, Sexualitätsfeindlichkeit und Pornosucht hinausgeht. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass da gerade etwas an uns vorbeizieht. Was meint ihr dazu? Ich werde erst mal weiter nachdenken…

Webschau

W

Am Sonntag vor einem Jahr verstarb Johanna Dohnal. Susanne Feigl, ihre Biografin, hat im Standard die letzten O-Töne der großen Politikerin unter dem Titel „Was sie empörte – bis zuletzt“ veröffentlicht.

Auch in Österreich tut sich endlich etwas in Sachen Quote: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner diskutierte am Montag mit Frauenministerin Heinisch-Hosek über eine mögliche Quote für Aufsichtsrät_innen in staatsnahen Betrieben, berichtete diestandard.at. Laut einer Umfrage des Sora-Instituts ist die Zustimmung zur Frauenquote übrigens unter jungen Frauen am höchsten – 70 Prozent der Männer lehnen sie ab.

Auch Trendforscher Matthias Horx meldet sich im Standard zur Quotendebatte zu Wort und kritisiert die hierzulande weit verbreitete „männerbasierte Präsenzkultur“ im Arbeitsleben. Die Karrierewelt kann sich nur ändern, wenn eine kritische Masse von Frauen in den Chefetagen eine generell andere Zeitkultur durchsetzt – in Kooperation mit starken Männern, die auch kein Interesse mehr daran haben, mit ihrer Familie nur noch auf diplomatischem Wege zu verkehren, so Horx.

Zum 100. Jubliäum des Internationalen Frauentag hat die Mädchenmannschaft bereits allerlei Veranstaltungstermine gesammelt. Weitere Hinweise sind erwünscht.

Für alle Leute, die aus den österreichischen Bundesländern zur 20000frauen Demo am 19. März anreisen möchten, gibt es gute Nachrichten: Mit einer Vorteilscard der ÖBB gibt es ein Zugticket nach Wien und retour um 60 Prozent billiger, ohne Vorteilscard erhält frau 25 Prozent Rabatt.

Ab heute Montag am Kiosk: Die neue Ausgabe der Missy! Zur Feier der zehnten Ausgabe gibt es eine CD mit 11 brandneuen Tracks aus dem „queer-pop-feministischen Umfeld“ mit dazu.

Neues aus der Blogosphäre: „Die chaotische Welt der Geschlechter“ – unter diesem Titel bloggt Khaos.Kind seit wenigen Monaten „aus dem Alltag einer angehenden Berufsfeministin“.

Neueste Beiträge

Neueste Kommentare

Archive

Kategorien