TagBarbara Rosenkranz

Das Eigene im Anderen

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Während der  amtierende Bundespräsident Heinz Fischer gestern im Wiener MAK den Wahlkampfauftakt für seine mögliche Wiederwahl feierte, startete im Netz eine Intiative gegen seine Mitstreiterin.  Die „Wiener Frauen gegen Rosenkranz“, die sich als überparteiliche Plattform (initiiert von SP-Vizebürgermeisterin Renate Brauner) präsentieren, wenden sich gegen das „vorsintflutliche Frauenbild“ der Präsidentschaftskanditatin. Die FPÖ reagierte sofort und ließ verlauten, dass Barbara Rosenkranz „das Bild einer modernen österreichischen Frau mehr als jede andere verkörpere“, schließlich sei sie „eine berufstätige zehnfache Mutter, die all ihre großen Aufgaben privater und beruflicher Natur mit Bravour meistere“. (siehe Standard.at)

Tatsächlich entspricht der Lebensentwurf von Barbara Rosenkranz nicht unbedingt einem reaktionären Weltbild: Die FPÖ-Politikerin hat seit 2003 das Amt der Landesparteiobfrau in Niederösterreich inne, ist seit 2005 auch stellvertretende Bundesobfrau und hat ihre zehn Kinder ihrem Mann anvertraut, der sich um das Familienleben der „Karrierefrau“ kümmert. „Als ich dann mit 35 Jahren in den Landtag eingezogen bin, haben wir begonnen, unsere Arbeitsaufteilung flexibler zu gestalten. Mittlerweile hat mein Mann die Arbeit daheim zur Gänze übernommen“, erzählt sie im Interview mit der „Presse„. Dennoch widerstrebt Rosenkranz ihr eigenes Berufsleben offensichtlich so sehr, dass sie sich selbst noch immer als „Hausfrau“ bezeichnet. Und mit Hausfrauen setzt sie sich auch politisch auseinander. In der frauenpolitischen Version (Rosenkranz würde wohl eher Familienpolitik sagen) der nüchtern wirkenden Politikerin ist „Mütterlichkeit“ das zentrale Element, „den“ Feminismus bezeichnet sie als „Irrweg“.

Mehr noch, hinter „Gender Mainstreaming“, dem Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen durchzusetzen, ortet Rosenkranz gar eine Verschwörungstheorie. In ihrem 2008 erschienenen Buch „MenschInnen“ (das in mehreren österreichischen Medien, z.B. in der Presse mit durchaus wohlwollenden Kritiken bedacht wurde) spürt sie „neomarxistischen“ Ideolog_innen nach, die am Entwurf des „geschlechtslosen Menschen“ arbeiten würden und deren Ziel es sei, ihr Weltbild der restlichen Gesellschaft aufzuzwingen. Vorangetrieben werde das Ganze von „sexuellen Randgruppen“ – also all jenen Menschen, die nicht ins rechtskonservative (bzw. rechtsextreme) Schema der Politikerin passen: Homosexuelle und Transgender Personen zum Beispiel. „Rechte für Gleichgeschlechtliche bis hin zur sogenannten Homo-Ehe werden deswegen so vehement gefordert, weil man so die Zweigeschlechtlichkeit und die ,Zwangsheterosexualität‘ weiter aufweichen und verwirren kann.“

Geschlecht ist für Rosenkranz Natur und Tatsache. „Die Gendertheorie, wonach das Geschlecht ausschließlich kulturell sowie sozial fixiert und ein Ergebnis von Erziehung ist, ist unwissenschaftlich und falsch. Es gibt selbstverständlich das biologische Geschlecht.“ Und Rosenkranz hat für ihre Ansichten empirische Beweise: „Meine Kinder hatten völlige Freiheit, aber ich habe eben die Erfahrung gemacht, dass dreijährige Buben keine Puppen anziehen oder füttern. Meine Buben hatten in diesem Alter ein eher ingenieurhaftes Interesse und haben die Puppen zerlegt.“ Ganz klar, „Mädchen ziehen sich eben gerne schöne Kleider an, und Buben wollen kein Prinzessinnenkostüm.“ Ja, Barbara Rosenkranz hat ganz offensichtlich sehr genaue Vorstellungen davon, was einen Mann und was eine Frau ausmacht. Fixe Geschlechtsidentitäten, von der Biologie (oder der „Natur“) vorgegeben, sollen in unserer Gesellschaft innerhalb einer  heterosexuellen Vereinigung aufeinander treffen (und sich bestenfalls vermehren).

Für ein solches Geschlechterbild erntet Rosenkranz in ihrer eigenen, männerdominierten Partei („weil in einer Oppositionspartei unseres Zuschnitts tätig zu sein, ein hartes Geschäft ist“) Beifall. Bekämpfen wir im Anderen vielleicht das Eigene? Das Unbewusste, das unheimliche Eigene? – Diese Frage stellte sich die Psychoanalyse zu Recht. Betrachtet man/frau Politiker_innen der FPÖ, ex-FPÖ BZÖ und FPK genauer, so finden sich gerade in diesen Reihen lebendige Beispiele für die Brüchigkeit und Uneindeutigkeit von Geschlechtsidentitäten. Wer schon einmal einen Auftritt von Barbara Rosenkranz verfolgt hat, der/die wird vermutlich nicht zu allererst die fromme, mütterliche Hausfrau gesehen haben. Und auch bei einem Vergleich von Heinz-Christian Strache, Herbert Haupt und Ewald Stadler fällt es schwer, einen einheitlichen Entwurf von „Männlichkeit“ zu finden. (Einer „natürlichen Männlichkeit“). Und die ist – selbstverständlich – heterosexuell. Wenig verwunderlich also, dass Stefan Petzner nicht mehr in den vordersten Reihen seiner Partei agiert. Homosexualität – die gibt es in der FPÖ (bzw. BZÖ) nicht, auch nicht nach Haiders Tod. „Die heterosexuelle Öffentlichkeit mag diese Offensichtlichkeiten nicht. Selbst wenn nun von Interviews geredet wird, in denen Petzner ihre schwule Beziehung bestätigt, darüber schrieb noch gestern in Österreich niemand, und zu sehen oder zu hören ist dieses Interview bisher noch nicht“, schrieb die „taz“ im Oktober 2008.

Jörg Haider selbst war ein schillerndes Beispiel der Uneindeutigkeit, wie ihn Robert Misik – ebenfalls in der „taz“ – porträtiert: „Haiders Magnetismus schuldete sich ja nicht im Geringsten seiner schillernden, widersprüchlichen Persönlichkeit, die immer auch mit Gesten des Erotischen spielte, aber auch mit der Uneindeutigkeit. Er hatte einen persönlichen Zauber, der offenkundig besonders auf Männer in ihren frühen Zwanzigern wirkte, die er um sich scharte und blutjung in höchste Ämter hievte – ‚Buberlpartie‘ nannte man diese Prätorianergarde.“

Wo findet er sich also, der „eindeutige“ Mann, wo die „eindeutige“ Frau, das Ideal der Barbara Rosenkranz – fernab der „sexuellen Randgruppen“? Oder existiert „es“ vielleicht gar nicht? Ist vielleicht jeden Tag aufs Neue sehr viel Arbeit nötig, um eine hierarchische Geschlechterordnung mit ihren zwei „eindeutigen“ (heterosexuellen) Geschlechtern aufrechtzuerhalten und zu legitimieren? Müsste sich Barbara Rosenkranz so sehr vor einem Angriff auf die heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit fürchten, wenn sie uns doch von der Natur aufgezwungen wird?
Ich werde am 25. April übrigens Heinz Fischer wählen.

Foto: Christian Jansky

Männer in der Sinnkrise?

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Noch in den sechziger Jahren hatten es Männer einfacher. Es herrschten klare Rollenbilder: Frauen mussten in erster Linie den Haushalt führen und die Kinder versorgen, und sie waren sozial wie finanziell abhängig von den Männern. Doch dann wurden Geschlechterrollen in Frage gestellt – Eltern, Lehrer und Erzieher bemühten sich, Mädchen die gleichen Bildungschancen zu bieten, und förderten sie gezielt. Der Erfolg blieb nicht aus. Frauen haben inzwischen viele typische Männerberufe erobert, besetzen Führungspositionen, bekleiden bedeutende Ämter„, so Henning Engeln im deutschen Spiegel.

Wir schreiben das Jahr 2009 – und ein klares Rollenbild, an dem sich Männer orientieren können, fehlt. Analog zur Emanzipation der Frauen hat der wortkarge Familienernährer ausgedient, plötzlich herrscht Verwirrung – so der Befund vieler Autoren, die sich mit moderner Männlichkeit auseinandersetzen. Auch die Darstellung von Männern als Mängelwesen oder Auslaufmodelle wird vielfach beklagt: „Noch in den sechziger Jahren sind Männer als Schöpfer der Kultur, Entdecker, Religionsstifter, Weise, Heiler, Ärzte und Philosophen gefeirt worden. Wenn wir heute in Literatur und Medien schauen, dann tritt uns der Mann als Zerstörer, Kriegstreiber, Vergewaltiger, Kinderschänder und Pornograph entgegen“, sagt der Soziologe Walter Hollstein.

Aber hatten es (westliche) Männer in den sechziger Jahren wirklich einfacher? Kann es wirklich erstrebenswert sein, dass der Arzt (wir schreiben 1960), der im Krankenhaus auf Junge oder Mädchen entscheidet, damit auch die Freiheit, den eigenen Lebensentwurf zu gestalten, auf ein Minium reduziert? Hatte es in den sechziger Jahren ein homosexueller Mann einfacher? Ein Mann, der nicht im im Stande war, in der Erwerbsarbeit seine Erfüllung zu finden?

Dennoch scheinen wenige (schreibende) Menschen die herrschende Orientierungslosigkeit als Chance zu begreifen, um mit starren männlichen Rollenkonzepten zu brechen und eine Vielfalt von Lebensentwürfen denkbar zu machen. Zahlreiche Sachbuch-Autor_innen wollen uns viel eher sagen, dass ein Leben ohne vergeschlechtlichtes Selbstbewusstsein nicht möglich ist. Im Dschungel der geschlechtlichen Verwirrung bieten sie Konzepte an, die auf eine Rückbesinnung auf „traditionelle Werte“ zielen.

Wer etwa das Seminar von Autor Björn Leimbach besucht, kann „seinen Testosteronwert erhöhen“ und vom „netten Jungen zum echten Mann“ werden. Die Botschaft ist klar: Männer sind von Natur aus aggressiv, wollen in Männerrunden Konkurrenz leben und in Partnerschaften die Führung übernehmen. Doch Pädagoginnen, Mütter und Partnerinnen sind auf dem besten Wege, die Männer zu entmännlichen. Step I – IV wollen Männer zu „Herzenskrieger“ machen, Step III zum Thema Sexualität nennt sich da „Sexualität, Potenz und Dominanz.“ Denn eines ist klar: „Auch die meisten Frauen haben auf Dauer wenig Interesse an einem ’netten‘ Mann“.

„Der Typ John Wayne ist oldfashioned, klar. Aber er hatte ein Koordinatensystem. Er wusste, welche Dinge man tut, weil man ein Mann ist. Und er wusste, welche Dinge man nicht tut, weil man ein Mann ist. Und heute? Es gibt allein in Deutschland 41 Millionen Männer. Bei dieser Masse ist die Identitätskrise des Mannes keine Sache von ein paar Therapeutensitzungen in Altbauwohnungen. Die graue, konturlose Masse Mann verklebt die Kraftadern der Republik“, schreiben Andreas und Stephan Lebert in ihrer „Anleitung zum Männlichsein“.

Männer, die den „Verfall“ der Männlichkeit beklagen, sind längst nicht unter sich geblieben. Die Bestätigung der These, dass Frauen „so einen Mann“ nicht wollen, liefern konservative Geister wie Bettina Röhl oder Eva Hermann. Und auch Barbara Rosenkranz scheint sich in ihrem Buch „MenschInnen“ vordergründig um die Gefährdung „wahrer Männlichkeit“ zu sorgen, wenn Jungen in Wiener Kindergärten nicht nur mit Autos und Bausteinen spielen sollen. (Lauert nicht hinter jeder Barbie die Homosexualität?) Was die genannten Frauen selbst machen, gestehen sie Männern nicht zu – als erfolgreiche Autor_innen (und Politikerin) geben sie der Karriere großen Raum in ihrem Leben und konterkarieren damit ihr eigenes Bild der Mutter und Hausfrau (Barbara Rosenkranz gibt als Beruf „Hausfrau“ an).

Angesichts dessen ist die Zeit gekommen, Gegenbilder zu entwerfen und den Verteidiger_innen der „echten Männlichkeit“ nicht die Definitionsmacht zu überlassen. (Mehr zu konservativen Strömungen in der Männlichkeitsforschung das nächste Mal…)

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