CategorySexismus

Macho Macho!

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Die Macho-Kultur liegt hierzulande im Sterben. Zeit für ein letztes Aufbäumen.

Es war einer der Gründe, warum ich mich schon mit acht Jahren als Feministin fühlte – auch wenn ich das Wort Feminismus noch nicht einmal kannte. Grillfeste im heimischen Garten, bei denen der Schmäh unter den Männern nur so dahin rannte, Witzchen über die Kochkünste der Gattinnen, über „pralle Blondinen“ und andere Begriffe, die ich euch jetzt mal erspare, während die (Ehe-)Partnerinnen stillweigend danebensaßen und alles irgendwie lustig fanden – oder vielmehr finden mussten. Was in den späten 80er-Jahren das Normalste der Welt zu sein schien, hat heute glücklicherweise an Legitimation verloren. Sexismus und Frauenfeindlichkeit werden heute nicht mehr klaglos geduldet. Und das ist gut so. „Das wird man aber doch noch sagen dürfen“ ist in 9 von 10 Fällen dann doch nur eine Ausrede dafür, seine privilegierte Position nicht aufgeben zu wollen, in der man es sich so lange gemütlich gemacht hat. Dieses neue gesellschaftliche Klima lockt aber natürlich auch die Rebellen hervor: Die mutigen Typen, die auch als Mitglied der zumindest linksliberalen Kultur-Schickeria mal öffentlich von „geilen Titten“ sprechen wollen, ohne dass ihnen sofort auf die Finger geklopft wird. Ein Porträt als „Enfant Terrible“ ist ihnen damit immer noch sicher (außer man ist schon zu heftig am rechten Rand angestreift oder hat ganz prinzipiell etwas gegen „die da oben“). Wer die öffentliche Auseinandersetzung scheut, kann aber auch zuhause einfach mal eine Rolling-Stones-Platte auflegen, den neuesten Houellebecq zur Hand nehmen und beim Gespräch mit der Nachbarin ganz bewusst nicht gendern. Und wer sich jetzt von einer Political-Correctness-Jagdgesellschaft verfolgt fühlt, sollte daran denken, dass im Jahr 2017 die Zuschreibung, Sex zu haben, immer noch dazu verwendet wird, Frauen abzuwerten.

PS. Das muss ich dann doch zugeben: So ein bisschen provokant und aus dem Bauch heraus zu schreiben hat schon seinen Reiz.

Verlinkt

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Einige Links in eigener Sache: Auf Diestandard.at durfte ich für den Artikel „Risikofaktor Männlichkeit“ mit profeministischen Männern und einer Rechtsextremismus-Forscherin über den Männlichkeits-Diskurs in der Flüchtlingsdebatte sprechen.

Statt auf der Denkwerkstatt habe ich im Februar auf Mosaik gebloggt – und zwar über den „Neo-Maskulinisten“ Roosh V und seine frauen- bzw. menschenverachtende Ideologie.

In der aktuellen Ausgabe der an.schläge durfte ich einige Texte zum Überwachungsschwerpunkt beitragen – u.a. habe ich Anne Roth und Leonie Tanczer interviewt.

Das tolle Online-Magazin „Migrazine“ ist meiner einer neuen Ausgabe zurück: „Wie hat der ‚lange Sommer der Migrationen‚ von 2015 die politischen Realitäten verändert? Um diese Frage zu beantworten, greifen die Autor_innen dieses Schwerpunkts unterschiedliche Themen auf: Sie kritisieren Abschiebungen und eurozentrisches Hilfsdenken, setzen sich mit verschiedenen Formen des Widerstands auseinander und zeigen Wege der Solidarität mit den Kämpfen von Migrant_innen auf.“

Auch außerhalb des aktuellen Schwerpunkts auf Migrazine äußerst lesenswert: „Prololesben und Arbeiter*innentöchter„.

Ich habe mich in einem an.schläge-Kommentar über den Klassismus in der Berichterstattung über FPÖ-Wähler_innen geärgert.

Aktuell wird in Österreich gegen Bezieher_innen der Mindestsicherung gehetzt, rassistische Ressentiments werden für die Kürzung von Sozialleistungen eingespannt. Die Armutskonferenz macht sich immer wieder die Mühe, verbreitete Falschmeldungen und Berechnungen mit Statistiken und Studien zu widerlegen. In der „Kleinen Zeitung“ berichtet eine Bezieherin  der Mindestsicherung „von ihrem Alltag mit finanziellem Minimum, Existenzängsten und Wünschen“.

Die Mädchenmannschaft berichtet über die Kampagne „Sanktionsfrei“: „Sanktionsfrei ist eine kostenlose Online-Plattform, die Hartz-IV-Sanktionen endgültig abschafft: Wir verpassen den Jobcentern ungefragt ein freundliches Online-Portal, das Betroffene umfassend informiert und kompetent begleitet.“ Unterstützer_innen gesucht!

„Es kommen viele hochgradig traumatisierte Frauen“ – lesenswertes Interview über Frauen im bewaffneten Widerstand gegen den IS und weibliche Flucht

Wenn ihr „Suffragette“ noch nicht gesehen habt, solltet ihr das unbedingt nachholen! Nicht nur, dass die Geschichte frauen*politischer Kämpfe endlich im Kino erzählt wird, der Film stellt eine Wäscherei-Arbeiterin (großartig Carey Mulligan) in den Mittelpunkt (Rezension auf der Mädchenmannschaft). 

Beate Hausbichler hat auf Diestandard.at ein gerade erschienenes Buch über die Suffragetten rezensiert.

Köln oder Hallo, geht’s noch?

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Zu den massenhaften Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und den daraus entstandenen Debatten haben schon viele kluge Leute viele kluge Texte geschrieben (habt ihr euch #Ausnahmslos schon angesehen?). Dem ist an sich nichts hinzuzufügen, aber ein Aspekt der österreichischen (innenpolitischen) Debatte macht besonders wütend.

Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland haben unzählige Menschen – vorrangig Mitglieder konservativer und rechter Parteien – über Nacht sexuelle Gewalt als Thema entdeckt, das ab sofort ganz oben auf ihrer Agenda steht. Zumindest wenn es sich bequem als Argumentationsgrundlage für rassistische Theorien oder Forderungen nach schnelleren Abschiebungen und „Obergrenzen“ für Flüchtlinge heranziehen lässt. Wie scheinheilig das ist und wie falsch, muss ich denke ich nicht näher ausführen. Trotzdem möchte ich einzelne Beispiele herausgreifen, die mir besonders unverfroren erscheinen. Da wäre etwa Herr Franz. Dank der ÖVP könnte uns der rechtskonservative Politiker, den vor allem sein „Pograpsch-Sager“ bekannt gemacht hat, noch länger erhalten bleiben. Und dieser Herr Franz zeigt sich plötzlich schockiert angesichts der Übergriffe, die da in Köln passiert sind. Die (heimischen!) Frauen müsse man ja schützen.

Wir erinnern uns, noch vor einem halben Jahr war er derjenige, der mit aller Kraft und viel medialer Unterstützung versucht hat, die Reform des Sexualstrafrechts zu verhindern. Österreich hat ein vorbildliches Gewaltschutzgesetz und mittlerweile auch ein sehr gutes Sexualstrafrecht. Was hierzulande bereits umgesetzt wurde, wird in Deutschland nun diskutiert. Dort ist die Rechtslage nämlich nach wie vor so, dass Opfer einer Vergewaltigung nachweisen müssen, dass sie sich ausreichend gewehrt haben – ein „Nein“ reicht nicht aus. Auch Belästigungen wie das Grapschen sind nicht strafbar.

Dass in Österreich die Gesetzeslage vergleichsweise gut abschneidet, ist nicht der Verdienst von Politikern wie Herrn Franz oder ähnlichen Herrschaften – frauenpolitische Organisationen, Beratungseinrichtungen und autonome Feminist*innen kämpfen seit Jahrzehnten dafür, das Thema Gewalt (ganz egal, von wem ausgeübt) begleitet die Frauenbewegungen seit ihrer Entstehung. Trotz harten Gegenwinds und mit der Unterstützung einiger (Frauen-)PolitikerInnen wurde das Thema aus dem Privatraum in die Öffentlichkeit geholt, Frauenhäuser und Beratungseinrichtungen gegründet – und letztendlich auch Gesetze angepasst und verbessert. Die Expertise dafür lieferten und liefern unter anderem kluge Juristinnen, und das oft ehrenamtlich in ihrer Freizeit.

Menschen wie Herr Franz oder FPÖ-PolitikerInnen, die meinen, dass „Frauenhäuser Ehen zerstören“ würden, haben tatsächlich so wenig Schamgefühl, dass sie nach Ereignissen wie jenen in Köln in die Öffentlichkeit treten und verlautbaren, Feministinnen würden das Problem totschweigen. „Wo bleibt der #Aufschrei jetzt?“, wird da unter anderem gefragt. Mal abgesehen davon, dass Feministinnen sich nicht auf Zuruf über ein Thema empören müssen, das sie seit Jahrzehnten mühevoll beackern, fällt es unter die Kategorie Verschwörungstheorie, wenn da behauptet wird, sexuelle Gewalt, die von Migranten ausgeht, würden Feministinnen verleugnen oder gar gutheißen. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass in derartigen Fällen vorsichtiger kommuniziert wird, auch ich habe mich ein wenig darüber gewundert, warum im feministischen Umfeld die Vorfälle in Rotherham kaum Thema waren. Antirassismus und Feminismus dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, schreibt dazu Natascha Strobl. Die Phantasien der feministischen Verleugnung sind aber in jedem Fall Unsinn.

Herr Franz und seine Kollegen hingegen sind ganz vorne dabei, wenn es um das Leugnen von rape culture geht. Was wäre eigentlich passiert, wenn nicht Marcus Franz, sondern der Vertreter einer muslimischen Organisation öffentlich verkündet hätte, dass er seine Frau durchs Pograpschen kennengelernt habe und die Frauen sich nicht so aufregen sollten? Hätte er – vielleicht zusammen mit einem anderen Vertreter einer muslimischen Organisation, der der Meinung ist, dass starke Frauen sich doch eh selbst wehren könnten – auch ein „Im Zentrum“ Spezial bekommen? Ja, das waren schon „Herrenwitze zum Totlachen“, wie Colette M. Schmidt im „Standard“ schrieb, eine richtig zünftige Debatte. Puls 4 handelte das Thema übrigens unter dem Titel „Pograpschen, Hymnenstreit, Rollenbilder – Kommt der Aufstand der Konservativen?“ ab und fragte: „Welche Werte brauchen wir?“ „Harmloses“ Grapschen ist ein österreichischer Wert, hätte man da meinen können.

Warum so viele Frauen sexuelle Gewalt nicht anzeigen, hängt übrigens nicht nur damit zusammen, dass sie sich schämen (oft kommen die Täter aus dem nahen Umfeld), sondern auch damit, dass sie Angst davor haben, dass ihnen nicht geglaubt wird. (Vielleicht hat es nach der Silvesternacht in Köln auch deshalb so viele Anzeigen gegeben, weil die Betroffenen gesehen haben, dass es gesellschaftlich anerkannt wird, dass sie massives Unrecht erfahren haben.) Mediale Debatten, wie sie im Frühjahr vergangenen Jahres  stattgefunden haben, tragen dazu bei, ein Klima zu schaffen, in dem Opfer nicht ernstgenommen werden. In dem es noch immer „Kavaliersdelikte“ gibt und Frauen, die eben nachts nicht alleine auf die Straße gehen sollten. Sexuelle Gewalt ist kein Problem, das wir „importiert“ haben und keines, das wir abschieben können. Was es aber braucht, um das Problem nachhaltig zu bekämpfen, kann zum Beispiel hier sehr gut zusammengefasst nachgelesen werden, eine umfassende Studie zu Gewalt gegen Frauen in 28 EU-Staaten (die medial leider wenig Beachtung fand und nicht zu Diskussionsrunden motivierte) ist hier zu finden.

Link: Frauenhelpline gegen Gewalt

#Refugeeswelcome

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In den vergangenen Wochen habe ich wieder einmal gar keine Zeit fürs Bloggen gefunden. Deshalb an dieser Stelle Links zu lesenswerten Beiträgen rund um das Thema Flucht, Asyl und Zivilgesellschaft.

Am 3. Oktober findet in Wien eine Großdemo für menschliche Asylpolitik statt.

Ein Infoblatt zu allen Fragen rund um die Grundversorgung in Österreicht stellt die Asylkoordination bereit.

Pack und Zivilgesellschaft“ – ein Kommentar zur Asylpolitik und der Versorgung von Flüchtenden von Fiona Sara Schmidt in den an.schlägen.

Irmi Wutscher war für FM4 im Wiener Haus Ottakring, wo Frauen betreut werden, die alleine geflüchtet sind.

„In Österreich wird etwa ein Viertel der Asylanträge von Frauen gestellt. Die Flucht nach Europa wird für sie oft als zu gefährlich eingestuft“, erzählt Oona Kroisleitner in „Warum Flucht von Frauen anders ist„.

„Support Refugee Women in Traiskirchen“ – ein Radiobeitrag auf Radio Orange.

„Asylum is not gender neutral: the refugee crisis in Europe from a feminist perspective“ – ein Text der European Women’s Lobby.

Ein Interview mit der UNHCR-Pressesprecherin Ruth Schöffl von Anna Svec auf dem Mosaik-Blog.

In der Rosa Lila Villa: „Queer Base – Welcome and Support for LGBTIQ Refugees ist der neue Name für ein Netzwerk aus LGBTIQ Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, das seit einigen Monaten an einer Verbesserung der Situation von Flüchtlingen arbeitet, die aufgrund ihrer Sexualität oder ihrer Geschlechtsidentität verfolgt wurden.“ Mit Spenden-Info!

Rotherham

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Im aktuellen „Spiegel“ ist ein ausführlicher Bericht (der mich zu weiteren Recherchen motivierte) aus Rotherham zu lesen, jener Stadt im Norden Englands, in der eine unglaubliche Häufung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder (großteils Mädchen) aufgedeckt wurde. Zwischen 1997 und 2013 wurden mindestens 1.400 Kinder und Jugendliche jahrelang ausgebeutet und gehandelt, vergewaltigt und erpresst. Die Schilderungen der einzelnen Fälle und das Versagen der Behörden treiben einem Tränen der Wut in die Augen.

In den Medien (vor allem den deutschsprachigen) wurde der Fall vor wenigen Wochen häufig auf einen Umstand reduziert: Behörden hätten von den Verbrechen gewusst und sie aus Gründen der political correctness vertuscht. Da es sich bei den Tätern großteils um pakistanische Migranten handelte, wäre die Angst zu groß gewesen, als Rassist_in zu gelten. „Wenn politische Korrektheit Missbrauch ermöglicht„, titelt etwa der Focus online, „Rotherham: Angst vor Rassismusvorwürfen ermöglichte Missbrauch„, schreibt auch der Standard. Wäre organisierte sexualisierte Gewalt für die Täter tatsächlich aus Angst vor Rassismusvorwürfen folgenlos geblieben, so würde diese Perversion von political correctness wohl zu Recht für Fassungslosigkeit in allen Reihen sorgen.

Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Verkürzung jedoch – wenig überraschend – als falsch. Alexis Jay, Universitätsprofessorin und frühere Sozialarbeiterin, hat im Auftrag der Bezirksverwaltung Rotherham einen unabhängigen Bericht erstellt und dafür Ermittlungsakten und Berichte analysiert und unzählige Interviews mit Involvierten geführt (er steht hier zum Download). Der Bericht macht auf 159 Seiten klar, dass nicht political correctness für das Versagen der Behörden verantwortlich ist, es sind vielmehr die sexistischen, frauenverachtenden und klassistischen Strukturen, gesellschaftliche Bedingungen, die mit dem Begriff der rape culture beschrieben werden.

Eine Analyse der vielen Fälle zeigt, dass die Täter gezielt Beziehungen zu 11- bis 14-jährigen Mädchen aufbauten, viele von ihnen hatten bereits Gewalterfahrungen in der Familie und/oder wurden in sozialen Einrichtungen betreut, es waren oftmals Kinder aus Working-Class-Familien. „Die Beamten hörten die Kinder selten an und stellten, statt zu ermitteln, die Glaubwürdigkeit der Opfer infrage. (…) Da war die Haltung von Polizisten bis hinauf in die Führung: Kindesmissbrauch sei ein Problem des Pöbels, das sich nie lösen lasse“, ist im Spiegel zu lesen.

Im Oktober 2013 verfasste der zuständige Staatsanwalt ein Rundschreiben an die ermittelnden Behörden, in denen falsche Mythen im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt erklärt werden. „The victim invited sex by the way they dressed or acted“, „The victim used alcohol or drugs and was therefore sexually available“ und „The victim is in a relationship with the alleged offender and is therefore a willing partner“, ist da zu lesen. Alexis Jay schreibt dazu im Bericht: „All of the above elements have been referred to at some point in historic files we read, usually as reasons given by the Police or the CPS for not pursuing suspected perpetrators.“

Es sind Fälle, in denen die Polizei eine 12-Jährige festnahm, weil sie betrunken war, ihr Vergewaltiger wurde nicht belangt. Hinweise von besorgten Eltern wurden ignoriert, viele Opfer schwiegen aus Scham und Angst. In einigen Fällen wurden Behörden erst bei wiederholten Selbstmordversuchen aktiv. Einzig die Organisation „Risky Business“ wird vielfach positiv hervorgehoben, der Jugendhilfeverein versucht seit den 1990er-Jahren, Kinder und Jugendliche über sexuelle Ausbeutung und mögliche Handlungsstrategien aufzuklären.

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Die Hymne, Gabalier und Werbegelder

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Schon 2011 habe ich über die Töchter und die Bundeshymne gebloggt. Ich wollte eigentlich nie mehr über das Thema schreiben (warum ich die Töchter in der Hymne gut finde, könnt ihr im Blogbeitrag nachlesen), mich nie mehr mit den „Haben wir denn keine anderen Sorgen!“-Menschen auseinandersetzen. Aber dann singt ein Schlagerstar bei einem Energy-Drink-Autorennen die Bundeshymne und ganz Österreich hat keine anderen Sorgen interessiert sich dafür. Mit den Aussagen von Andreas Gabalier möchte ich mich gar nicht im Detail auseinandersetzen, er hat gestern im ZIB24-Interview ziemlich viel Blödsinn gesagt (unter anderem, dass sich das Parlament doch nach den Foren-Poster_innen richten solle). Ich hoffe ja fast, dass diese ganze Aktion ein PR-Stunt seines Managements ist und er nicht wirklich hochmotiviert durch Österreich tingelt, um „österreichisches Kulturgut zu erhalten“.

Dass die ZIB24 eine Studio-Diskussion organisiert und Ö3 auf seiner Website über die Töchter in der Hymne abstimmen lässt – mittlerweile hat auch Steiermark.orf.at mit einer noch blöderen Abstimmung nachgelegt – ärgert mich (Der Text ist eigentlich gesetzlich festgelegt, wer sich für den juristischen Aspekt interessiert, sollte am Frauenring dranbleiben). Ich unterstelle dem ORF nämlich, dass hier einfach auf die Klickzahlen geschielt wird, weil das Thema so schön polarisiert. Über 90 Prozent stehen auf der Ö3-Website hinter Gabalier und ich kann mir gut vorstellen, dass der Radiosender das Endergebnis mit „Österreich hat abgestimmt“ oder so ähnlich präsentiert. Dass eine solche Abstimmung repräsentativ sei, glaubt ja auch Herr Gabalier. Natürlich lässt sich so eine Geschichte medial gut ausschlachten, aber zumindest der ORF (wie war das noch mal mit dem öffentlichen Auftrag?) könnte sich solche billigen Strategien sparen. Mich frustriert es auch deshalb, weil ich in der Rolle der Öffentlichkeitsarbeiterin immer wieder mal versuche, Medien für feministische Themen zu interessieren – was verdammt schwierig ist. Im März habe ich mich zuletzt besonders geärgert: Da wird die größte Studie zu Gewalt gegen Frauen in sämtlichen EU-Ländern präsentiert und die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks fällt äußerst dürftig aus. Ich hätte mir z.B. ein „Im Zentrum“ zu dem Thema gewünscht (den „Club 2“ gibt es ja nicht mehr), fundierte Diskussionen mit Expert_innen zu Hintergründen usw. Leider nein.

Bin ich jetzt eigentlich selbst eine von den „Haben wir denn keine anderen Sorgen!“-Menschen? Unterschätze ich die Bedeutung der Diskussion? Was ich auf jeden Fall unglaublich lustig finde: Mir begegnen oft Menschen, die meinen, „die Feministinnen“ würden sich vorrangig um Sprache und „andere Banalitäten“ statt um die wirklichen Probleme kümmern. Besonders eifrig melden sie sich aber dann zu Wort, wenn es um das Binnen-I, den Begriff Heteronormativität oder einen geänderten Hymnen-Text geht. Die Bedeutung von Sprache kann mensch offensichtlich gar nicht überschätzen.

Zum Schluss noch ein Vorschlag für den ORF, falls schon die nächste Diskussionssendung in Planung ist: Interessant wären doch die Fragen (worauf mich gerade eine Kollegin hingewiesen hat), wozu es Nationalhymnen eigentlich braucht und welche Töchter und Söhne denn da gemeint sind.

PS. Zum an die Wand pinnen noch ein Zitat von Brigitte Hornyik, Verfassungsjuristin und stv. Vorsitzende des Frauenrings: „In der Frauenpolitik gibt es sehr viel zu tun, wenn nicht einmal symbolische Signale für den gesellschaftlichen Wert der Frauen in der Gesellschaft unumstritten sind.“

Andere Blogbeiträge zum Thema:

Ingrid Brodnig über den Shitstorm gegen Gabriele Heinisch-Hosek
Barbara Kaufmann ebenfalls über die Ministerin und hasserfüllte Sprache

Immer wieder Heidi Klum

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In den vergangenen Tagen ist mir der Link zu folgendem Artikel: „Brust raus, Bauch rein, Hirn aus“ in die Timeline verschiedener Social-Media-Plattformen gespült worden. Ein Journalist der „Hannoverschen Allgemeinen“ analysiert die „fatale Botschaft“, die Heidi Klum in „Germany’s Next Top Model“ verbreitet und widmet sich in seinem polemischen Text dem „kaltherzigen“ und anpassungsfähigen TV-Model. „Das Leben, heißt die traurige Klum-Botschaft, ist ein durchökonomisierter Prozess, in dem Fremderwartungen stets zu erfüllen, Maximalziele zu setzen, Körper dem Ideal nachzubilden und Unwuchten in Geist und Seele abzutrainieren sind. Gefallen als Lebenszweck – propagiert by Heidi Klum“, ist da zu lesen. Wie Imre Grimm da über Klum und ihre Model-Show ablästert, ist sehr unterhaltsam und irgendwie auch befreiend, aber irgendetwas hat mich sogleich an dem Text gestört – und zwar der ausschließliche Fokus (inkl. Sexismen) auf Heidi Klum.

„Germany’s Next Topmodel“, das wohl erfolgreichste Reality-Format überhaupt, zählt mittlerweile acht Staffeln, die Einschaltquoten bleiben trotz Endlos-Wiederholung auf hohem Niveau (zwischen 15 und 25 Prozent in der „werberelevanten“ Zielgruppe). Erfunden hat die Sendung jedoch nicht Heidi Klum, die deutsche Version von „America’s Next Top Top Model“ (Idee: Tyra Banks) hat der TV-Sender ProSieben  umgesetzt und zunächst von  „Tresor TV“, dann von „RedSeven“ produzieren lassen. 2006 wurde das Format erstmals ausgestrahlt und entwickelte sich zum ganz großen Geschäft. Es scheint fast so, als hätten Gilette und die L’Oreal-Tochter Maybelline das Konzept geschrieben: Make-up und glatt rasierte Körperteile sind integraler Bestandteil jeder Folge, die dazugehörigen Unternehmen sind nicht nur in den vielen Werbepausen zu sehen, sondern treten in der Serie als „ArbeitgeberInnen“ auf, die „Jobs“ an die Nachwuchs-Models zu vergeben haben.

„Germany’s Next Topmodel“ ist also soetwas wie eine verfilmte Frauenzeitschrift à la Cosmopolitan: Redaktionellen Inhalt gibt es nicht wirklich, vielmehr wird da Rahmenprogramm für Lippenstift- und Kleinwagen-VerkäuferInnen geschaffen. Mit Heidi Klum hat ProSieben die ideale Botschafterin für den Konsum an sich („Mit meinem ersten Model-Gehalt habe ich mir eine Rolex gekauft“) gefunden, die Ex-Kandidatinnen und Staffel-Siegerinnen werden in anderen Formaten des Senders untergebracht oder zumindest interviewt. So sitzen etwa die ausgeschiedenen Bewerberinnen regelmäßig auf der Couch von Stefan Raab, der in „TV Total“ verzweifelt nach lustigen Facetten der Model-Show sucht.

Stefan Raab, der wohl einzige Moderator, der auf ProSieben noch häufiger als Heidi Klum zu sehen ist, steht am anderen Ende der Skala: Witzig, lässig, unverschämt und aufdringlich – ein echter Kerl eben. Auch Klaas Heufer-Umlauf  und Joko Winterscheidt dürfen seit Februar auf ProSieben Wett-Kotzen und die Reeperbahn erkunden. Die beiden Moderatoren, die Sexismus unglaublich lustig finden, sind ebenfalls richtig gut im Unsinn-Machen und stellen den Gegensatz zu den Fraufiguren dar, die der deutsche TV-Sender in vielen seiner Formate präsentiert. „Nur die Industrie habe Mittel, wahre Schönheit zu generieren, lautet das Credo von Klum, deren Karriere auf einem ‚Sports Illustrated‘-Bikinifoto fußt – und die trotz gegenteiliger privater Erfahrungen offenbar weiterhin dem Irrtum erlegen ist, dass beständiges Streben nach ‚Professionalität‘ Glück verheißt“, schreibt Imre Grimm. Klum, die in den Medien gerne mal als „Pascha“ und „strafende Lehrerin“ bezeichnet wird, hat sich das also alles ausgedacht?

Immer wieder erscheinen Artikel, in denen die (zugegeben nicht sehr sympathische) Heidi Klum vorgeführt und für ihre grausame Art, jungen Mädchen das letzte Quentchen Selbstachtung zu rauben, kritisiert. Die Maschinerie hinter dem ganzen Konzept wird dabei oftmals ausgeblendet: die Kosmetik- und die Werbeindustrie und nicht zuletzt der TV-Sender, der das alles möglich gemacht hat. „Denn sie wissen, was sie tun„, schreibt Hannah Suppa in ihrer Replik und bringt ein Argument ins Spiel, das ebenso häufig zu finden ist: „Es ist billig, diese Glitzer-Nagellack-Welt mit den immer gleichen Phrasen (‚Nur eine kann GNTM werden!‘) als Untergang des Abendlandes abzutun. Denn es misst dem Ganzen mehr Bedeutung zu als nötig. Es geht hier um eine Unterhaltungsshow.“ Natürlich, alles nur ein großer Spaß. Schließlich sitzen die „Mädels-Runden“ zuhause ganz selbstbewusst vor dem Fernseher und eignen sich die Inhalte der Show auf „ironische Weise“ an, lachen über die heulenden Kandidatinnen und verwandeln schon mal das eigene Wohnzimmer in einen „Catwalk“.

Natürlich, wir haben die Texte der Cultural-Studies-Theoretiker_innen gelesen und wissen, dass es nicht besonders klug ist, von einer simplen „Übernahme“ von Medieninhalten durch die Rezipient_innen ausgehen. Schließlich gibt es verschiedene Lesarten und Medienwissenschafter_innen und Psycholog_innen weisen immer wieder darauf hin, dass es darauf ankommt, wie Jugendliche mit bestimmten Botschaften umgehen. „Sie (Heidi Klum) wird dafür bezahlt, eine Unterhaltungssendung zu machen. Und solange die Menschen einschalten, sich der ‚Venus Spa Breeze‘-Rasierer oder der Caffé Latte mit Topmodel-Aufdruck gut verkaufen, wird das so bleiben“, meint Hannah Suppa. Die vielen Zuschauerinnen wollen das also sehen – selbst schuld!
Aber wie war das? Unsere (Konsum-)Wünsche entstehen dann doch nicht aus dem Nichts oder einem „natürlichen“ Trieb. Vielmehr wachsen wir auf in einer kommerziellen Medienkultur, die uns auf allen Kanälen Zugang zum Heidi-Klum-Universum verschafft.

Nur absolute Medien-Verweiger_innen werden (in Österreich und Deutschland) diesen Namen noch nie gehört haben und „Cover-Shooting“ und „Concealer“ sind wohl fester Bestandteil des Wortschatzes einer durschschnittlichen 12-Jährigen. Fernsehsender wie ProSieben betreiben ein Mainstreaming solcher Inhalte, wir fragen uns nicht mehr, warum auf der Titelseite der „Cosmopolitan“ eigentlich immer eine junge Frau im engen Kleid zu sehen ist, sondern höchstens noch, ob denn nicht auch mal weniger „perfekte“ Models gezeigt werden könnten.

„Und die Eltern applaudieren. Die Mädchen als Ware, die Körper austauschbar, der Mensch egal. Natürlich sind die Körper Requisiten. Das ist der Job. Hier geht es nicht darum, wer den besten Charakter hat oder Schillers ‚Glocke‘ rezitieren kann, es geht um Oberflächlichkeiten. Die Modewelt ist eine eigene. Hier wird nicht das Ideal der Frau von heute vorgeführt, sondern das Ideal für eine bestimmte Berufsgruppe“, so die Journalistin. Mal abgesehen davon, dass „Germany’s Next Topmodel“ recht wenig mit der „Modewelt“ zu tun hat, lernen die Teenager vor dem Fernsehgerät, dass eben die Casting-Kandidatinnen ProSieben-Shows moderieren dürfen und in der „Bild“ abgelichtet werden. Hier haben die Medienkonzerne tatsächlich ihre eigene Welt geschaffen: das Berufsbild des/der C-Prominenten. Und damit eine Aufstiegsmöglichkeit, die Chance auf Gucci-Kleider und Rolex-Uhren. Und ein bisschen Ruhm.

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