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Lesung mit Francis Seeck: „Recht auf Trauer“ + Klassismus-Workshop

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30.10. 2018, 19 Uhr, Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags, 1010 Wien

Vorm Tod sind alle gleich? Denkste. Von der Lebenserwartung über die Frage, wie wir sterben, bis hin zu der Art, wie und wo wir beerdigt werden, herrscht soziale Ausgrenzung. Francis Seeck hat Erfahrungen mit dem Thema gemacht und darüber ein Buch geschrieben: „Recht auf Trauer. Bestattungen aus machtkritischer Perspektive“.
https://www.edition-assemblage.de/recht-auf-trauer/

Die Bestattungspraxis in Deutschland ist von Machtverhältnissen geprägt. Aktuell werden immer mehr arme Menschen, für die keine Zugehörigen die Bestattungspflicht wahrnehmen (können), ohne Grabstein, Namen, Trauerfeiern und Blumenschmuck von Ämtern anonym bestattet. Teilweise finden diese Bestattungen monatlich als Sammelbeerdigung im Minutentakt statt. Oft wurden diese Menschen schon zu Lebzeiten marginalisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt. Durch die voranschreitende Vereinsamung in der Gesellschaft, die auch durch Altersarmut, prekäre Beschäftigung oder Wohnungslosigkeit genährt wird, sind heutzutage immer mehr Menschen betroffen.

Francis Seeck zeigt in diesem Buch den Zusammenhang zwischen Machtverhältnissen und Beerdigungspraktiken auf. Es geht um Scham im Angesicht des Todes, Bestattungen im Minutentakt und über die Ökonomisierung des Bestattungswesens. Aber auch die eigene Geschichte der Autor*in hat ihren Platz. So geht es auch um widerständige Praktiken auf der Friedhofswiese, sei es durch die Forscher*in, Trauergäste, Aktivist*innen und Mitarbeiter*innen – ganz im Sinne von „Rest in protest!“.

Moderation: Brigitte Theißl

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Francis Seeck ist Kulturanthropolog_in und lebt in Berlin. Francis promoviert zu kollektiver Fürsorgearbeit in trans und queeren Räumen, lehrt und arbeitet als Antidiskriminierungstrainer_in.

Eine Veranstaltung vom Verein Genderraum und dem Referat für Working Class Students der ÖH Uni Wien, in Kooperation mit der Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags

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29. Oktober, 17 bis 20 Uhr: Workshop zum Thema Klassimus

Klassismus bezeichnet die strukturelle Unterdrückung und Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunftsklasse und Position in der Gesellschaft. Beispiele für Klassismus sind die Benachteiligung von Student_innen aus Arbeiter_innenfamilien im Bildungsbereich oder Wohnungslosen- und Erwerbslosenfeindlichkeit.

Wir wol­len uns in dem Workshop aus un­ter­schied­li­chen Per­spek­ti­ven dem Thema Klas­sis­mus nä­hern. Wir werden folgenden Fragen nachgehen::

Was ist Klassismus?
Wie zeigt sich Klassismus?
Was hat Klassismus mit Gesundheit, Bildung, Sprache und Lebenserwartungen zu tun?
Wie ist Klassismus mit anderen Machtverhältnissen wie zum Beispiel Rassismus, Trans* feindlichkeit, Homofeindlichkeit verbunden?
Was können wir dagegen tun?
Betroffene, die nicht am Workshop teilnehmen möchten, sind herzlich eingeladen, nur zum Empowerment-Space ab 19 Uhr zu kommen.

Zur Referent*in:
Francis Seeck ist Antidiskriminierungstrainer*in, Autor*in und Doktorand*in. Francis ist beim Institut für Klassismusforschung aktiv, einem Netzwerk von Akademiker_innen aus der Arbeiter_innen- oder Armutsklasse. Francis ist selber in einer armen Familie aufgewachsen und Careleaver. Francis beschäftigt sich viel mit den Themen Sorgearbeit, Klassismus, Queer-Feminismus und hat 2017 das Buch „Recht auf Trauer. Bestattungen aus machtkritischer Perspektive“ bei edition assemblage rausgebracht, in dem es um Klassismus in der Bestattungs- und Trauerkultur geht.

Anmeldungen unter:
workingclassstudents@oeh.univie.ac.at

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Frauenpolitische Demontage. Scheibchenweise.

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Was will diese Regierung eigentlich in frauenpolitischer Hinsicht? Schwierig zu sagen. Kanzler Kurz meidet Frauenpolitik und Gleichstellungsfragen so gut es nur geht, selbst die FPÖ, deren Personal jahrzehntelang mit dem Wettern gegen Binnen-I und „Genderwahn“ Karriere machte, scheint vom alleinregierenden Regierungschef zur Zurückhaltung verdonnert worden sein (den PR-Gag von Mario Kunasek mal ausgenommen). Im Regierungsprogramm haben sich die Freiheitlichen mit ihren patriachalen Wunschträumen („Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden“) freilich durchgesetzt, im Vergleich zur antifeministischen Ära auf der Oppositionsbank ist es aber erstaunlich ruhig im rechten Lager.

Ganz anders bei der türkis-blauen Kernkompetenz. In Fragen von Asyl, Migration, Integration und Menschenrechten sind alle Dämme gebrochen. Als Sebastian Kurz vor wenigen Jahren Integrationsmaßnahmen noch für unerlässlich hielt, betonten FPÖ-PolitikerInnen auch im Bierzelt, dass „die gut integrierten und anständigen Ausländer“ in Österreich willkommen seien. Selbst diese Losung ist Geschichte. Die Regierung argumentiert mittlerweile offen rassistisch, bei der Integration wird gekürzt, weil die nicht hierbleiben, sondern abgeschoben werden sollen, wie Identitäre freudig beklatschen. Geschlechterpolitisch wird hier die Kopftuch-Frau bemüht: Ein Kopftuch-Verbot ist laut jüngsten Berichten für die Länder gar Finanzierungs-Bedingung: „ohne Kopftuchverbot kein Bund-Länder-Pakt, ohne Pakt keine Förderungen für die Kinderbetreuung“. Das funktioniert deshalb so gut, weil Kopftuch-Trägerinnen* seit jeher als Projektionsfläche für Menschenfeindlichkeit dienen: Antimuslimischer Rassismus trifft praktisch ausschließlich Frauen, zeigen Studien: Kopftuchtragende Frauen werden in der U-Bahn bespuckt, auf der Straße angepöbelt und in Facebook-Kommentaren beschimpft.

Schalldämpfer

In anderen Bereichen agiert die Regierung zurückhaltender. Frauen – und noch mehr Familien – seien zentrales politisches Anliegen, wird da betont, die frauenpolitische Demontage erfolgt scheibchenweise. Sozialpolitische Einschnitte wie bei der Mindestsicherung treffen Frauen immer härter, medial wird hier ebenso auf die Ausländerkarte gesetzt. Und dass der ungerechte Familienbonus Besserverdienende bevorzugt, hat im wohlhabenden Österreich wenig Skandalisierungspotenzial. Die längst überfällige Ehe für alle wird indes einfach ausgesessen.

Aktuell wird bei den Frauenorganisationen der Rotstift angesetzt, es trifft vor allem jene, die wichtige Arbeit leisten, aber öffentlich wenig bekannt sind: die Frauenhetz und die Frauensolidarität (hier abonnieren!) oder den Klagsverband (der aktuell via Crowdfunding Unterstützer*innen sucht). In Sachen Gewaltschutz betont Ministerin Bogner-Strauß zwar die Bedeutung der Beratungseinrichtungen und Frauenhäuser, wie heute bekannt wurde, hat das Innenministerium aber – trotz steigender Zahl an Feminiziden – bereits ein Projekt gestrichen. Die Kürzungen werden keineswegs als antifeministische Kampfansage inszeniert – anderswo werde viel mehr gespart, sagt Bogner-Strauß, die immer schon mickrigen und noch einmal zusammengekürzten 10,1 Millionen für das Frauenressort seien somit als Erfolg zu werten.

Frauen in den Aufsichtsrat

Dass sich selbst (Rechts-)Konservative nicht mehr gerne offen antifeministisch präsentieren, ist ein Erfolg des liberalen Feminismus (und der Popkultur): Frauennetzwerke existieren heute in Österreich auch in (neo-)liberaler und konservativer Ausführung, die Losung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, Frauenpreise und Karrierenetzwerke sind tatsächlich Mainstream. Mit rechter und konservativer Politik lassen sie sich durchaus zusammendenken: Wer mehr Frauen in Aufsichtsräten fordert, muss sich keineswegs das gute Leben für alle auf die Fahnen schreiben, wer besondere Leistungen von Frauen vor den Vorhang holt, muss nicht zwangsläufig danach fragen, warum unter den Ausgezeichneten so wenige Frauen mit Migrationsgeschichte, Arbeiter*innenkinder oder Frauen mit Behinderung zu finden sind (wenig verwunderlich, dass gerade die Forderung nach der 30-Stunden-Woche des Frauenvolksbegehrens für so viel Aufregung sorgt). Mit Feminismus hat das freilich wenig zu tun. Wirklich feministische Politik darf sich nicht mit einem „Frauen können alles erreichen“ begnügen. Oder anders gesagt: Feminismus, der sich nicht gegen alle Diskriminierungs- und Ausbeutungsformen wendet, bleibt ein elitäres Minderheitenprojekt.

Was da kommen möge

Dementsprechend gilt es auch bei der Scheibchen-Politik der Regierung wachsam zu bleiben. Wie schnell sich der frauenpolitische Wind drehen kann, zeigen verschiedene europäische Staaten in beängstigender Geschwindigkeit vor. Insbesondere die Frage des Schwangerschaftsabbruchs entwickelt sich hier zu einem Gradmesser. Das zentrale, hart erkämpfte Selbstbestimmungsrecht ist plötzlich wieder verhandelbar. „Schwangere Frauen brauchen vor allem in schwierigen Lebenssituationen besondere Unterstützung. Dazu gehört auch die medizinische und soziale Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen“, sagte Bogner-Strauß kürzlich im an.schläge-Interview. PolitikerInnen wie Norbert Hofer und Gudrun Kugler setzen sich in ihren Reihen schon lange für Einschränkungen bei der Fristenregelung ein. Und sie könnten bald jenen Schritt machen, den Sozialdemokrat*innen und Grüne in den vergangenen Jahrzehnten nie gehen wollten: Abtreibung politisch zum Thema zu machen. Eine rechtskonservative Kampagne könnten dann auf fruchtbaren Boden fallen: Dass Abtreibung in Österreich noch immer im Strafgesetzbuch verankert ist und viele Ärzt*innen aus Angst keine Abbrüche durchführen, wissen viele Menschen gar nicht.

Workshop: Klassismus in den Medien

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Wie lässt sich klassistische Diskriminierung und Sprache in journalistischen Beiträgen analysieren? Was bedeutet diskriminierungsarme bzw. respektvolle Berichterstattung im Kontext sozialer/ökonomischer Benachteiligung und Armut? Und wie sind soziale Herkunft und der Zugang zum Arbeitsfeld Journalismus miteinander verknüpft?

Gemeinsam mit Vina Yun (Idee) habe ich im Mai einen Workshop zu diesen Themen gestaltet, ermöglicht hat ihn das Referat für Working Class Students der ÖH Uni Wien. Nachdem wir in den Räumlichkeiten von Radio Orange zu Gast waren, hat Jaqueline Gam vor Ort gleich eine Radiosendung für ihre Reihe „Medienkritik Orange“ produziert. Und diese Sendung könnt ihr hier nachhören.

Falls ihr auch Interesse an einem solchen Workshop in eurer Institution habt – meldet euch!

Klassengespräche: Tanja Abou im Interview

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Wie bist du dazu gekommen, dich mit Klasse/Klassismus auseinanderzusetzen?

Klasse und Klassismus waren – bewusst oder unbewusst – schon immer Teil meines Lebens. In der Schule wurde ich als „asozial“ bezeichnet. Ich kannte damals die Dimension dieses Begriffes nicht, aber ich wusste, dass es etwas damit zu tun hatte, dass meine Familie materiell arm war und wir uns viele Dinge nicht leisten konnten. In Politprojekten habe ich später das Vorhaben formuliert, „Mittelklassehabitus in Bildungsinstitutionen“ zu thematisieren. Das war, bevor ich die ganzen Statistiken kannte, die belegen, dass das bundesdeutsche Bildungssystem nach sozialer Herkunft aussortiert – und dass ich als angebliches „Ausnahmekind“ noch von den Ideen der Bildungsreform profitierte. Meine Genoss*innen begegneten dem Vorhaben mit (belächelnder) Skepsis. Heute weiß ich, dass das eine Entmutigungs- und Abwehrstrategie war. Richtig geklickt hat es, als ich an einem Klassismus-Workshop von Leah Caola Czollek und Heike Weinbach teilgenommen habe. Meine Lebenserfahrung und ein theoretischer Rahmen dafür kamen plötzlich zusammen. Seitdem sammle ich Texte, Bücher und Menschen. Ich gebe Workshops, schreibe, zeichne und versuche Leute in Verbindung zu bringen.

Gibt es Texte/Bücher, die dich besonders geprägt haben?

Ich verschenke Michelle Teas „Without a net – the female experience of growing up Working Class“ an jede Working Class/Poverty Class Person, von der ich weiß, dass si*er Englisch lesen und verstehen kann. Michelle Tea hat eine Textsammlung von Menschen erstellt, die selber von Klassismus betroffen sind – und wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich es bis heute nicht ganz durchgelesen habe. Nicht, weil es mich nicht interessiert, aber ich muss das Buch – wie viele andere auch – immer wieder weglegen, weil ich schlichtweg Rotz und Wasser heule, wenn ich ein Buch lese, wo ich an die Erzählungen anknüpfen kann. Weil ich dann von Leuten lese, dass mein Gefühl richtig war, dass es eine systematische Unterdrückung und Diskriminierung von materiell armen Menschen gibt. Und dass sich diese Unterdrückung in Worte fassen lässt.

Im deutschsprachigen Raum begleitet mich „Klassismus“ von Heike Weinbach und Andreas Kemper seit Jahren. Mein Exemplar ist ganz abgegriffen und hat albern viele Haftmarker, die mit Stichworten beschriftet sind. „Mit geballter Faust in der Tasche“ war für mich erheiternd und erleichternd, weil da mal andere Genoss*innen die Klassenkonflikte in der Linken thematisieren.
Besonders gefreut hat mich, dass einige der Texte in einer Radiosendung vertont wurden. Ich mag unterschiedliche Vermittlungsmedien. Ich habe zuhause eine kleine Bibliothek, die sich ausschließlich dem Thema Klasse/Klassismus und möglichen Intersektionen widmet. Alles hier aufzuzählen würde hier den Rahmen sprengen – aber ich möchte noch „Class Matters“ von Betsy Leondar Wright erwähnen. Das Buch ist von einer Gruppe von Aktivist*innen, die sich damit auseinandersetzen, wie ein Dialog zwischen den Klassen funktionieren kann. Es gibt auch eine Homepage zu dem Buch, die ich oft nutze, um Material für Workshops zusammenzustellen.

Immer wieder erzählen mir Menschen begeistert von deiner Bildungsarbeit bzw. deinen Klassismus-Workshops. Was kann mensch sich darunter vorstellen und wo gibt es mehr Infos dazu?

Ich freue mich sehr über das Kompliment. Ich gebe seit knapp 10 Jahren Workshops. Ich habe die Ausbildung zur Social Justice Trainerin bei Leah Carola Czollek und Heike Weinbach gemacht. Viele der Elemente, die ich dort gelernt habe, verwende ich in meinen Workshops. In den Workshops fokussiere ich in erster Linie die Ebene der Diskriminierung. Das wird von Genoss*innen stark kritisiert, die der Auffassung sind, dass damit die strukturelle Ebene verloren geht. Aber für mich ist es wichtig zu verstehen, wie sich die Vorurteile gegen materiell arme Menschen in struktureller Unterdrückung manifestieren. Feministische Wissenschaftskritik hat mir geholfen zu verstehen, dass die Kontextualisierung dieses Erfahrungswissens ein wichtiger Bestandteil politischer Bewegungen ist. Ich unterscheide zwischen Info- und Empowermentworkshops. Im Anschluss an Infoworkshops biete ich mittlerweile immer einen Empowermentraum an, um mit Betroffenen zu sprechen und sie zu vernetzen.

Warum denkst du ist es wichtig, sich mit Klasse/Klassismus zu beschäftigen und siehst du diesbezüglich Leerstellen in linken/feministischen Bewegungen?

Die Frage nach den Leerstellen lässt sich für mich leichter beantworten, als die Frage, warum ich es wichtig finde, sich mit Klasse/Klassismus zu beschäftigen. Meine Herzensgenossin Julia Roßhart hat ein ganzes Buch zu „Klassenunterschieden im feministischen Bewegungsalltag“ geschrieben, in dem sie sich auf Texte bezieht, die wir begeistert untereinander ausgetauscht haben. Für mich waren die Texte der Prololesben, die beschrieben, wie sie von bürgerlichen Genoss*innen sprachlos gemacht wurden bezeichnend dafür, wie eine Mittelklasselinke die wenigen Arbeiter*innen- und Armutsstimmen unter ihnen zum Schweigen bringt und lächerlich macht, und wie wichtig es ist, sich zusammenzuschließen. Ich sehe Wiederholungen in der Geschichte, wann immer es punktuell solche Zusammenschlüsse gab – die dann wieder in der Unsichtbarkeit verschwanden. Ich denke, dass es deswegen wichtig ist, sich mit Klasse/Klassismus zu beschäftigen, damit diese Geschichten nicht wieder verloren gehen – und sie auch zu verknüpfen mit einer Verfolgungsgeschichte, die weit über die Geschichte der Verfolgung der Asozialen im Nationalsozialismus hinausreicht.

Hast du den Eindruck, dass Klasse/Klassismus aktuell in Wissenschaft und öffentlichen Diskussionen wieder eine größere Rolle spielen als noch vor 10 Jahren?

Ich habe den Eindruck, dass beharrliche Interventionen unterschiedlicher Aktivist*innen dazu geführt haben, dass Klassismus als politisches Thema nicht mehr ignoriert werden konnte. Es gibt Schwerpunktausgaben verschiedener politischer Magazine, die Feuilletons lassen so genannte „Bildungsaufsteiger*innen“ zu Wort kommen und „Klassismus“ lässt sich mittlerweile googlen, ohne dass auf „Klassizismus“ korrigiert wird. Das freut mich, aber es macht mich auch skeptisch. Ich würde mir wünschen, dass das Thema Klasse nachhaltiger in die Arbeit der queerfeministischen Linken integriert wird und nicht wieder verdrängt wird. Ich weiß aber auch, dass es weiter die Beharrlichkeit der betroffenen Genoss*innen braucht, wenn das nicht passieren soll. Ich habe ein Buch von Alexandr Bogdanow, „Die Wissenschaft und die Arbeiterklasse“, wo die Grundzüge dessen, was ich in meinen Workshops vermittle, schon 1920 artikuliert wurden. Ich finde es mühsam, das immer wieder – gefühlt – von vorne anzufangen.

Arbeitest du mit dem Klassismus-Begriff? Warum/warum nicht?

Wenn ich von Klassimus spreche, wird mir oft vorgeworfen ich würde nur wollen, dass man „netter zu den Armen“ ist. Ich weiß nicht, ob das ein (absichtliches) Missverständnis oder einfach Abwehr von Kritik ist. Für mich ist die Ebene der Diskriminierung nicht zu trennen von der strukuirellen Unterdrückung. Wenn ich nicht artikulieren kann, wie sich Herrschaftsverhältnisse in mein Handeln, Denken und Fühlen eingeschrieben haben, dann kann ich diese Einschreibungen auch nicht verändern. Viel wichtiger sind aber für mich die Rückmeldungen von den Genoss*innen aus der Arbeiter*innen- und Armutsklasse, die beschreiben, wie sie über eine Auseinandersetzung mit Klassismus ähnliche „Klick“-Momente hatten wie ich. Mittlerweile gibt es eine ganze Community auf die ich mich beziehen kann. Das macht uns politisch stark.

Wo findet man Infos über deine Projekte/Texte…?

Am einfachsten über das Institut für Klassismusforschung. Ich bin so richtig schlecht im Selbstmarketing und habe keine eigene Homepage mit meinen ganzen Texten und Projekten. Manchmal muss ich selber googlen, um einen älteren Text von mir zu finden. Für dieses Interview habe ich nun über ein halbes Jahr gebraucht (mea culpa) – sonst würde ich sagen: schreibt mir einfach. Aber vielleicht bin ich gerade ein kleines bisschen müde. Das wird schon wieder. Bis ich meine Kräfte wieder gesammelt habe, werde ich mit Begeisterung Projekte wie diesen Blog verfolgen. Vielen Dank dafür!

Weiterlesen: Francis Seeck im Interview

an.schläge – weil es feministische Medien braucht

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Beim feministischen Magazin an.schläge arbeite ich seit 2013. Auch wenn es technisch gesehen nur ein (kleiner) Teil meiner selbständigen Tätigkeit (-> EPU, Ein-Personen-Unternehmen) ist, stecken nicht nur viele, viele Arbeitsstunden, sondern auch mein Herzblut in diesem Projekt. Einerseits ist da viel unterbezahlte und wenig prestigeträchtige Arbeit, andererseits ist es auch ein Privileg, ein so tolles, kritisches und unabhängiges Medium mitgestalten zu können. Medienarbeit fasziniert mich, seit ich mit 10 meine ersten Radiosendungen auf Band gesprochen habe. Ein Stück von diesem Selfmade-Charakter steckt auch in an.schläge: Die geringen Ressourcen zwingen dazu, kostengünstig über diverse Umwege für jedes Problem eine Lösung zu finden, immer wieder neue Kontakte zu knüpfen und unerschöpflich kreativ zu sein.

Auch wenn Eigenlob stinkt: Was die an.schläge seit 35 Jahren mit so geringen Mitteln abliefern, ist beeindruckend. Und weil es da ja eine neue Regierung gibt, könnte die nächste Budgetkürzung vor der Tür stehen – auch unter Schwarz-Blau I wurde die Bundesförderung gestrichen. Nachdem die an.schläge ohne diese Fördersumme nicht in der bestehenden Form weitermachen könnten, braucht es dringend neue Abonnent*innen – und zwar ganze 666. Ein Jahresabo kostet (im Inland) nur 38 Euro – die sich lohnen. Unser Crowdfunding, das noch fast 2 Wochen läuft, hält aber noch andere Goodies bereit (z.B. die schicke neue an.schläge-Tasche).

Holt euch doch ein Abo (oder verschenkt eines!) und helft mit, feministischen Journalismus in Österreich zu sichern. 8 x pro Jahr gibt es politische Analysen und Kommentare, Reportagen, Film- und Serientipps, kluge und unglaublich komische Kolumnen, Interviews mit Kulturschaffenden und Wissenschaftler*innen, Illustrationen – und niemals Feminismus, der nach rechts schielt, sondern klar intersektional und antirassistisch positioniert ist.

Gerade angesichts der aktuellen politischen Lage braucht es feministische Medien dringender denn je: die sachliche, unaufgeregte Analyse, den Schritt zurück, das unaufhörliche Skandalisieren des sexistischen + rassistischen Normalzustands, die Utopien und die beißende Satire. Auf www.anschlaege.eu gibt es alle Infos zum Crowdfunding – bitte gerne weiterverbreiten!

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Unterschreibt!

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Wie ihr vermutlich schon gehört und gelesen habt, startet 2018 das Frauenvolksbegehren 2.0. Hinter der Initiative steht ein Team engagierter feministischer Aktivist*innen, die einzelnen Forderungen (von Arbeitswelt über Gesundheit bis hin zu Gewaltschutz) könnt ihr hier nachlesen.

Mein Tipp: Auch wenn ihr nicht jede Forderung unterstützen könnt, euch etwas fehlt oder euch das Instrument Volksbegehren nicht unbedingt sympathisch ist: Macht trotzdem mit! Österreich hat in diesen Zeiten eine (differenzierte) frauenpolitische Debatte gerade mehr als nötig.

In einem ersten Schritt braucht es 8.401 Unterstützungserklärungen, damit das Frauen*Volksbegehren (voraussichtlich im Sommer) tatsächlich starten kann.

So funktioniert es:
„Wir beginnen am 12. Februar 2018 Unterstützungserklärungen zu sammeln. An diesem Tag tritt das Wahlrechtsänderungsgesetz 2017 in Kraft und es ist möglich, Unterstützungserklärungen per Bürger*innenkarte bzw. Handysignatur – also auch von zuhause aus – abzugeben. In Papierform kann man die Unterstützungserklärung an jedem Gemeindeamt in Österreich – unabhängig vom Hauptwohnsitz – abgeben. Die Unterstützungserklärungen werden den Unterschriften der späteren Eintragungswoche angerechnet.“

Und: weitersagen!

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Credit: Christopher Glanzl

Soziale Ausgrenzung im Tod

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„Der Friedhofsgräber ist ein anderer als beim letzten Mal. Er sagt jeweils den Namen des Verstorbenen, wenn er die Urne einsinken lässt, und ‚Ruhe in Frieden‘. (…) Ben und ich weinen und schauen dem Friedhofsgräber zu, wie er die Schubkarre ranfährt und die fünf Gräber zubuddelt“, schreibt Francis Seeck. Seeck, Berliner Kulturanthropolog_in und Antidiskriminierungstrainer_in, widmet sich in „Recht auf Trauer. Bestattungen aus machtkritischer Perspektive“ Ausgrenzung und Marginalisierung, die auch nach dem Tod nicht aufhören. Seecks Vater wurde 2009 in Berlin ordnungsbehördlich bestattet, das heißt ohne Zeremonie und ohne Angehörige. Ausgehend von der eigenen Betroffenheit stellt Francis Seeck nun im Rahmen von teilnehmender, engagierter Forschung die Frage, wer betrauerbar ist und wie Klassismus sich auch in der Bestattungspraxis manifestiert.

In Deutschland gilt eine Bestattungspflicht für Tote, die bei den Erb_innen und unterhaltspflichtigen Verwandten liegt. Findet das zuständige Ordnungs- oder Gesundheitsamt innerhalb eines kurzen Zeitraums diese nicht, werden die Verstorbenen anonym bestattet – namenlos, ohne Trauerfeier oder Blumen. Aktuell werden immer mehr von Armut betroffene Menschen so bestattet, schreibt Seeck, oft sind es Menschen, die auch abseits der heteronormativen Kleinfamilie gelebt haben. In klarer Sprache macht Seeck in dem dünnen Band die soziale Ausgrenzung auf Friedhöfen deutlich und zeigt Interventionen für ein Recht auf Trauer auf. Ein großartiges Buch, das mit der Botschaft endet: „Ich wünsche mir, dass mehr über Sterben, Armut und Tod gesprochen wird.“

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Francis Seeck: Recht auf Trauer. Bestattungen aus machtkritischer Perspektive
edition assemblage 2017, 10,10 Euro

Diese Rezension ist in an.schläge VIII/2017 erschienen.
Francis Seeck im Denkwerkstatt-Interview

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