5 Jahre Denkwerkstatt

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Huch, ich habe ihn fast übersehen, meinen Geburtstag. Oder besser gesagt: den Geburtstag meines Blogs. Ende 2009 habe ich meinen ersten Blogbeitrag auf der Denkwerkstatt veröffentlicht, fünf Jahre alt ist mein Lieblingsprojekt nun also schon. Ja, es ist immer noch mein Lieblingsprojekt, auch wenn ich kaum noch im eigentlichen Sinne blogge. Vor fünf Jahren habe ich nämlich noch studiert und weniger gearbeitet, dementsprechend war es einfacher für mich, Zeit fürs Bloggen zu reservieren. Hinzu kommt, dass ich mittlerweile öfter anderswo einen feministischen Text/Artikel veröffentliche – und den dann einfach hier reinstelle, anstatt einen eigenen Blogtext zu fabrizieren.

In diesen fünf Jahren hat sich zugleich sehr viel und sehr wenig getan. Ich bin mir nicht sicher, ob es 2009 bereits andere österreichische queer-feministische Blogs gab (ich kannte zumindest keine), 2015 sieht das ganz anders aus. Ich freue mich über jeden Blog, der hinzukommt, da sind  zum Beispiel Ulli Koch, die Sugarbox, der Futblog, Feminist Mum, MahriahShoebox CastleAuf Zehenspitzen – und Gerüchten zufolge soll demnächst ein toller (englischsprachiger) Blog starten. In Deutschland sieht es noch viel rosiger aus und ich finde es wirklich großartig, dass es die Mädchenmannschaft trotz personeller Wechsel noch immer und schon so lange gibt und das Team diesen enormen Arbeitsaufwand in ihr Projekt steckt.

Diese feministischen „Gegenstimmen“ braucht es dringend, queer-feministische Themen nehmen in den traditionellen Medien schließlich nicht viel – und schon gar nicht mehr – Raum ein. Diestandard.at – ein einzigartiges Projekt im deutschsprachigen Raum – ist etwa von massiven Kürzungen betroffen, die wenigen queer-feministische Printmedien kämpfen ums Überleben, im ORF (öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Österreich) gibt es weder spezifische Formate, noch finden queer-feministische Themen irgendwo ausreichend Platz (Ö1 ist eine der wenigen Ausnahmen und Ausnahmen bestätigen die Regel). In österreichischen Nachrichtenmagazinen sieht es zum Teil noch düsterer aus – eher finden da antifeministische Abhandlungen Platz. Der Falter bringt eine Feminimus-Beilage, wenn sie vom Frauenministerium finanziert wird (siehe Impressum), im Privat-TV gestaltet sich die Situation ähnlich wie beim ORF.

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Aber glücklicherweise sind da noch die an.schläge, der Augustin, das Progress, die fiberMigrazine und malmoe. Auch die feministischen Formate in den freien Radios gehören vor den Vorhang geholt: etwa die großartige Genderfrequenz auf Radio Helsinki und das Sisterresist-Kollektiv (und bestimmt noch vieles mehr, das ich gerade vergesse!).

Die erste Aufgabe eines (ordentlich finanzierten) feministischen Mediums müsste die Medienkritik selbst sein, meinte Susanne Riegler, die ich für ein Porträt interviewt habe. Das sehe ich ähnlich und deshalb tut es mir auch sehr leid, dass mit meinem eingeschränkten Bloggen auch die Medienkritik zu kurz kommt. Dauernd stolpere ich über Artikel, Fotos und TV-Beiträge, die ich in Gedanken verblogge, fast täglich ärgere ich mich über sexistische Texte und feministische Leerstellen.

In den vergangenen Monaten und Jahren waren es in den österreichischen Medien vor allem zwei Phänomene, über die ich mich besonders geärgert habe. Die Studie der Agentur Media Affairs stellt (auch wenn es hier um Frauenpolitik geht) eines davon ganz gut dar: Frauenquoten und geschlechtergerechte Sprache waren die Top-Themen 2013, elementare wirtschaftliche Fragen standen am anderen Ende der Skala. Ich weiß nicht, wie oft die Bundeshymne, Lederhosen-Gabalier und das Binnen-I schon durchs Dorf getrieben wurden – es sind und bleiben die Dauerbrenner-Themen. Ja, Medien sehen sich mit Spardruck konfrontiert, jeder reißerische Aufmacher, jeder Klick und jeder Kommentar des wütenden Foren-Mobs zählen, aber die Schmerzgrenze ist bereits erreicht. Und so überhaupt gar kein, wirklich null (ihr versteht, was ich meine) Verständnis habe ich dafür, dass der ORF da mitspielt, über jeden Rülpser online abstimmen lässt und nur zu Binnen-I und Co Studiogäste in die ZIB 24 holt. Zur Erinnerung: Da war doch der öffentlich-rechtliche Kernauftrag, und der umfasst „die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen“ und „die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens“.

Setzen wir die Schimpftirade fort: Meine zweites großes Ärgernis nennt sich „Modeerscheinung Feminismus“. Immer wieder lese ich vom Trend Feminismus, auch in der Falter-Beilage war zum Beispiel die Rede vom „modischen Signalwort“. Gemeint sind dann meistens Beyoncé und popkulturelle Produkte und es stört mich auch gar nicht, dass die Vermarktung von Feminismus als Hipness-Faktor besprochen wird, es ist viel mehr die unglaubliche mediale Selbstreferenzialität. Da wird nämlich so getan, als beschreibe man den feministischen „State of the Art“ und bezieht sich in Wirklichkeit nur auf Personen und Produkte, die sich exzessiv medial vermarkten bzw. vermarktet werden. Es zählt vor allem Prominenz – jeder Satz von Beyoncé hat Nachrichtenwert -, bereits bekannte Journalist_innen veröffentlichen Bücher, auch „das Internet“  (-> Twitter, #Aufschrei) scheint noch von Interesse, Parteipolitiker*innen und Aufsichtsrats-Karrierefrauen*, gelegentlich Wissenschafter*innen werden auch noch mitgenommen. Und diese Maschinerie reproduziert sich dann selbst. Aus dem launigen Essay einer Journalistin wird eine groß angelegte Schmerzensmänner-Debatte, aus dem Binnen-I ein Kampfbegriff (ich kenne keine Feministin, deren erstes und einziges Anliegen das Binnen-I wäre).

Und was fehlt jetzt meiner Ansicht nach? Die Basis. Ich ziehe jetzt einfach noch mal die Falter-Beilage (in der ich einige Texte sehr gelungen finde, aber sie liegt zufällig gerade neben mir) als Beispiel heran: Wer hier nicht vorkommt, sind queer-feministische bzw. antirassistische/antifaschistische politische Gruppen und NGOs. Das sind jene Gruppen, die medial generell untergehen (außer es gibt eine Demo, bei der Ausschreitungen erwartet werden). Dort engagieren sich nur wenige prominente Personen, sie lassen sich schwer personifizieren und sie haben meist kein Geld für Anzeigen. Noch dazu sind ihre Themen oftmals ziemlich sperrig – keine guten Voraussetzungen also. Aber es gibt sie, und es sind gar nicht wenige, die da tagtäglich kostenlose Beratungsleistungen zur Verfügung stellen, demonstrieren, sich international vernetzen, alternative Budgets erstellen, Protestbriefe schreiben, Infomaterial produzieren, Diskussionsveranstaltungen organisieren, Frauengeschichte/FLIT*-Geschichte archivieren, Soli-Feste feiern, Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit betreiben, alternative Medien herausgeben und lobbyieren. Für diese „Grundlagenarbeit“ ändert sich wenig, wenn Beyoncé „Feminist“ auf die Bühne projiziert (ach, auf Beyoncé will ich auch gar nicht losgehen, es ist nur das eine Foto, das immer und überall gezeigt wird und sich deshalb so gut als Beispiel heranziehen lässt).

Und um noch einmal den Begriff der „Basis“ zu bemühen: Medial kommen dann meist Wissenschafter*innen vor und Personen, die den Journalist*innen selbst nahestehen: die Politik-Beraterin, die Grafikdesignerin, die Künstlerin und die Studentin. Mehrheitsösterreicher*innen. Die berüchtigte Billa-Kassiererin bleibt eher Symbol der Unterdrückten (natürlich ist hier auch Selbstkritik in meine Richtung angesagt).

So, bevor dieser Beitrag unleserlich lang wird: Schimpftirade vorübergehend beendet. Diese noch dazu aus einer ganz gemütlichen Position: Ich schreibe für ein feministisches Medium und muss nicht in wenig geneigten Redaktionen für meine Themenvorschläge kämpfen. Zum Ausgleich gibt es beim nächsten Mal queer-feministische Selbstkritik. Versprochen.

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brigittethe

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