Archive2015

Legal, illegal

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Dieser Text in der Ausgabe VII/2015 der an.schläge erschienen. 

Kaum ein kulturpolitisches Thema wird so emotional diskutiert wie das Urheberrecht. Der Schutz geistigen Eigentums gibt einen Einblick in ökonomische und vergeschlechtlichte Strukturen der Musikwirtschaft.

Am 1. Oktober ist in Österreich eine Regelung in Kraft getreten, deren vorangegangene Diskussion die Filmemacherin Eva Spreitzhofer („Kunst hat Recht“) als „Vorhölle“ bezeichnet. Die neue Urheberrechtsabgabe, genannt Festplattenabgabe, bleibt auch nach ihrer Einführung höchst umstritten. Sie umfasst nun Speichermedien aller Art – neben PCs und Handys etwa auch digitale Bilderrahmen – und soll heimischen Künstler_innen bzw. deren Verwertungsgesellschaften zugute kommen. Konsument_innen werden zur Kasse gebeten, da sie auf ihren Festplatten Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken gespeichert haben (könnten). Musik, die früher auf das Mixtape oder den CD-Rohling kopiert und durch die Leerkassettenabgabe besteuert wurde, befindet sich heute – so sie nicht längst per Streaming-Dienst konsumiert wird – überwiegend auf dem Notebook oder dem MP3-Player. Was die einen als angemessene Kompensation für Künstler_innen im digitalen Zeitalter sehen, verurteilen andere als realitätsferne und wenig treffsichere Strafsteuer. „Die Diskussion wurde von allen Seiten immer schon sehr emotional geführt“, erzählt Elisabeth Hakel, die als Kunst- und Kultursprecherin der SPÖ die Urheberrechtsnovelle mitverhandelt hat. „Es hat lange keine Einigung gegeben, weil die Meinungen extrem auseinandergegangen sind.“

„Scheiß-Internet“. Auf Seiten der Künstler_innen ist es die Initiative „Kunst hat Recht“, die auf ein rigides Urheber_innenrecht beharrt und vielen Netzaktivist_innen als Feindbild gilt. Die „Initiative für das Recht auf geistiges Eigentum“, der etwa Anja Plaschg (Soap&Skin) und Hubert von Goisern angehören, kritisiert „den Trend zur Gratiskultur“ im Internetzeitalter und spricht gar von einer Enteignung der Kunstschaffenden. 2013 wurde „Kunst hat Recht“ mit dem Schmähpreis „Wolfgang Lorenz Gedenkpreis für internetfreie Minuten“ ausgezeichnet – eine Erfindung des Künstler_innenkollektivs Monochrom. Wolfgang Lorenz, ehemaliger Programmdirektor des ORF, sprach bei einer Podiumsdiskussion 2008 vom „Scheiß-Internet“, in das sich junge Menschen „verkriechen“ würden, und wurde damit zur Symbolfigur für Kulturpessimismus und Internetskepsis. Auch der Musikindustrie, allen voran den Major Labels, wird nachgesagt, das Internet mit all seinen Möglichkeiten für die Nutzer_innen ausschließlich als Bedrohung wahrzunehmen. Tatsächlich sind die Umsätze der globalen Musikindustrie ab dem Jahr 1999 massiv eingebrochen. Während 1999 weltweit noch 26,6 Milliarden US-Dollar umgesetzt wurden, waren es 2014 nur noch knapp 15 Milliarden. Bereits 1980 befürchtete die British Phonographic Industry den Zusammenbruch des Tonträgermarkts aufgrund privater Aufnahmen mit Kassettenrecordern und rief die Kampagne „Home Taping Is Killing Music“ aus, doch die 1990er-Jahre sollten das goldene Zeitalter der Schallplattenindustrie werden. Künstler_innen können heute nicht mehr an die Verkaufszahlen jener Zeit anschließen. So ist es wenig verwunderlich, dass die Liste der weltweit meistverkauften Alben Künstler_innen wie Michael Jackson und Whitney Houston anführen, selbst die Spice Girls liegen deutlich vor Adele oder Britney Spears.

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Die neuen an.schläge sind da und widmen sich dem Schwerpunkt Mädchenarbeit & emanzipatorische Erziehung. Ich habe unter anderem einen Kommentar zu Klassismus in antirassistischen Politiken beigesteuert. Und falls ihr noch ein Weihnachtsgeschenk sucht: Wie jedes Jahr gibt es eine Abo-Aktion, bei der ihr die an.schläge-Tasche kostenlos zu einem Jahresabo dazubekommt und zugleich feministischen Journalismus unterstützt!

Zum Nachhören: „Ob Kinder oder keine, entscheiden Frauen alleine“ – Brigitte Hornyik und eine langjährige feministische Aktivistin haben mit Radio Orange über den Schwangerschaftsabbruch, die österreichische Fristenregelung und Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen gesprochen.

Passend dazu: „Attacks on abortion providers have increased since the Planned Parenthood videos“ – Bericht auf Vox.com.

„Selbstbestimmt Fehlgebären“ – ein persönlicher und informativer Bericht auf umstandslos.com.

Der Frauenring hat eine Stellungnahme zur geplanten Änderung des Asylgesetzes abgegeben: „Frauenrechte sind nicht teilbar„!

Am 3. Dezember findet im Metalab in Wien der erste Netzpolitische Abend mit drei spannenden Kurzvorträgen statt. Link zum Blog

Ebenfalls am 3. Dezember wird das Erscheinen des 1. fiber-Buchs gefeiert! Im Werk in Wien erwarten euch eine Lesung, Live Acts, DJanes und eine Tombola!

Femme Fiscale ist ein Netzwerk von ExpertInnen und AktivistInnen, die sich für eine geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik einsetzen. Folgt ihnen auf Facebook und bleibt auf dem Laufenden!

Die Kampagne „GewaltFREI Leben“ präsentierte am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ihre Ergebnisse. Für JournalistInnen steht die sehr nützliche Publikation „Verantwortungsvolle Berichterstattung für ein gewaltfreies Leben“ zum Download.

Warum Klimapolitik ein Geschlecht hat – Artikel von Oona Kroisleitner auf derstandard.at.

Für Diestandard.at habe ich einen Artikel über die Situation geflüchteter Frauen und LGBTs in Österreich geschrieben.

Frau Bürgermeister

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Dieser Artikel ist im Juni in den an.schlägen erschienen. 

Gemeindepolitik folgt ihren eigenen Regeln – Frauen haben darin kaum Platz. Das muss sich nicht nur in Österreich ändern.

Die Frau des Bürgermeisters war letzten Donnerstag alleine beim Heurigen und sichtlich betrunken, berichtet Frau S. Richtig zur Tür hinaus gewankt sei sie, ergänzt Herr S., während er Zucker in seine Tasse löffelt. Ganz grundsätzlich könne man aber gegen den Bürgermeister nichts sagen, sind Frau und Herr S. sich einig, er habe noch immer freundlich gegrüßt und sich bei Dorffesten ausnahmslos anständig verhalten – auch wenn er vielleicht nach der Scheidung die falsche Frau geheiratet habe. Dieses Gespräch beim sonntäglichen Nachmittagskaffee in einer niederösterreichischen Gemeinde mit rund 2.500 EinwohnerInnen hätte auch in Vorarlberg oder in der Oststeiermark stattfinden können. Es macht deutlich, mit welchen Rahmenbedingungen sich RegionalpolitikerInnen auseinandersetzen müssen. Denn die Bürgermeisterin kennen die WählerInnen nicht nur aus Fernsehinterviews und von überlebensgroßen Plakatporträts, sie sind mit ihr in derselben Hauptschulklasse gesessen, haben denselben Hausarzt und gemeinsame Bekannte aus dem Tennisverein – zumindest in kleinen Gemeinden wie in Statzendorf oder Mooskirchen.

Leere Bänke. Zumeist ist es aber nicht die Bürgermeisterin, die sich um die Bauordnung und die Ausstattung der örtlichen Volksschule kümmert, sondern der Bürgermeister. Nicht einmal sieben Prozent der OrtschefInnen sind in Österreich Frauen, die Gemeindepolitik ist – im Gegensatz zur Landes- und Bundesebene, wo deutliche Fortschritte zu verzeichnen sind – fest in Männerhand. Unter den österreichischen GemeinderätInnen fanden sich 2008/2009 immerhin 14 Prozent Frauen. Im EU-Vergleich liegt Österreich damit klar im untersten Feld, Schweden (31 Prozent) und Lettland (24 Prozent) führten 2014 laut Berechnungen des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen die Statistik bei den Bürgermeisterinnen an. In Deutschland sieht es kaum besser aus, die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin liefert in der 2014 erschienenen Studie „Frauen führen Kommunen“ einen Wert von 9,2 Prozent Bürgermeisterinnen bundesweit. Die mangelnde Präsenz bzw. Beteiligung von Frauen in der Kommunalpolitik wird von vielen Seiten als Problem erkannt: Parteien versuchen sich in speziellen Förderprogrammen, staatliche Institutionen und NGOs geben Studien in Auftrag, um nach Ursachen zu suchen und Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

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#Refugeeswelcome

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In den vergangenen Wochen habe ich wieder einmal gar keine Zeit fürs Bloggen gefunden. Deshalb an dieser Stelle Links zu lesenswerten Beiträgen rund um das Thema Flucht, Asyl und Zivilgesellschaft.

Am 3. Oktober findet in Wien eine Großdemo für menschliche Asylpolitik statt.

Ein Infoblatt zu allen Fragen rund um die Grundversorgung in Österreicht stellt die Asylkoordination bereit.

Pack und Zivilgesellschaft“ – ein Kommentar zur Asylpolitik und der Versorgung von Flüchtenden von Fiona Sara Schmidt in den an.schlägen.

Irmi Wutscher war für FM4 im Wiener Haus Ottakring, wo Frauen betreut werden, die alleine geflüchtet sind.

„In Österreich wird etwa ein Viertel der Asylanträge von Frauen gestellt. Die Flucht nach Europa wird für sie oft als zu gefährlich eingestuft“, erzählt Oona Kroisleitner in „Warum Flucht von Frauen anders ist„.

„Support Refugee Women in Traiskirchen“ – ein Radiobeitrag auf Radio Orange.

„Asylum is not gender neutral: the refugee crisis in Europe from a feminist perspective“ – ein Text der European Women’s Lobby.

Ein Interview mit der UNHCR-Pressesprecherin Ruth Schöffl von Anna Svec auf dem Mosaik-Blog.

In der Rosa Lila Villa: „Queer Base – Welcome and Support for LGBTIQ Refugees ist der neue Name für ein Netzwerk aus LGBTIQ Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, das seit einigen Monaten an einer Verbesserung der Situation von Flüchtlingen arbeitet, die aufgrund ihrer Sexualität oder ihrer Geschlechtsidentität verfolgt wurden.“ Mit Spenden-Info!

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An dieser Stelle gibt es wieder einmal TV- und Film-Tipps. Keine Neuerscheinungen, aber Filme und Serien, die ich in letzter Zeit gesehen habe und gerne mit euch teilen würde. Ich wünsche euch noch einen schönen Sommer!

Top of the Lake
Mini-Krimiserie der großartigen neuseeländischen Regisseurin Jane Campion („Das Piano“). Detaillierte Infos zur Serie auf Arte.tv.

Wadjda
Ein widerständiges 11-jähriges Mädchen träumt vom Fahrradfahren in den Straßen von Riad – der erste Spielfilm der saudi-arabischen Regisseurin Haifaa Al Mansour.

Wendy and Lucy
„Wendy besitzt die Hündin Lucy. Die Frau reist nach Alaska, wo sie auf einen einträglichen Job in einer Fischfabrik hofft. Ihr Auto gibt unterwegs in Oregon den Geist auf, was Wendy in finanzielle Schwierigkeiten bringt. Sie wird obdachlos.“ 2008 veröffentlichter Film der Regisseurin Kelly Reichardt, in der Hauptrolle Michelle Williams. Bedrückend realistisch.

Private Revolutions
Über „Private Revolutions“ habe ich bereits in den an.schlägen einen Text veröffentlicht. Der großartige Dokumentarfilm über Frauen*-Kämpfe in Ägypten wird laut Infos auf der Website im Herbst in den deutschen Kinos starten.

The East
Obwohl ich viele Kritikpunkte anführen könnte, könnte ich mir den Film zwanzig Mal anschauen. Weil: sehr unterhaltsam und mit Brit Marling, Ellen Page, Patricia Clarkson und Alexander Skarsgard.

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V

Bei den an.schlägen haben wir eine frauen*politische Interview-Serie mit Politikerinnen aus fünf Parteien gestartet. Die Interviews mit Heidi Ambrosch (KPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos) und Eva Glawischnig (Grüne) könnt ihr bereits in voller Länge online nachlesen. In der nächsten Ausgabe folgt Dorothea Schittenhelm von der ÖVP.

Apropos Interviews: Auf standard.at wurden in den vergangenen Wochen zwei spannende Interviews veröffentlicht: Birgit Sauer und Sushila Mesquita sprechen über feministische Wissenschaft an den Universitäten, Alexandra Weiss über das Erbe der Zweiten Frauenbewegung.

Von 1. bis 3. Mai findet in Wien zum zweiten Mal der „Jane’s Walk“ statt. Jane’s Walks sind von Freiwilligen geführte Spaziergänge, bei denen das Erkunden des eigenen Stadtteils bzw. der Stadt und Gespräche darüber im Vordergrund stehen. Benannt wurden sie nach der Architekturkritikerin und Stadtplanerin Jane Jacobs. Jede_r kann mitmachen! Alle Termine und Infos findet ihr hier.

Die Plattform 20000frauen veranstaltet am 30. Mai eine Feministische Tischgesellschaft auf der Mariahilfer Straße. Ganz unterschiedliche queer-feministische Organisationen/Initiativen werden teilnehmen, eine Anmeldung ist nach wie vor möglich. Die Plattform stellt die Infrastruktur (Tische, Bänke) kostenlos zur Verfügung.

Über die geplante Strafrechtsreform wird medial wieder einmal auf unterstem Niveau debattiert (siehe Pograpschen). Brigitte Hornyik hat für den Frauenring eine fundierte und lesenswerte Stellungnahme verfasst.

Mutterschaft bereuen – eine Studie hat hitzige Debatten ausgelöst, auf Twitter wird unter dem Hashtag #regrettingmotherhood diskutiert. Einen lesenswerten Blogbeitrag dazu gibt es auf dem Blog Aufzehenspitzen.

Kinderarmut ruiniert das ganze Leben – so der Titel eines Berichts über die bedrückenden Fakten in Österreich.

„Wer fleißig ist und hart arbeitet, wird auch reich“ – solche und andere Mythen zerlegt die Website Mythen des Reichtums“ äußerst anschaulich.

Wenn Menschenrechte im Mittelmeer enden„: „Wir müssen uns die Menschenrechte vom Staat zurückholen“, schreibt Ralph Guth auf dem Mosaik-Blog.

„Gestern noch betrauerte die Bundesregierung die hunderten toten Flüchtlinge im Mittelmeer, heute macht sie mit der üblichen Flüchtlingsabwehrpolitik gnadenlos weiter“ – so kommentierte Alev Korun von den Grünen die abermalige Verschärfung des Asylgesetzes in Österreich.

“Just go inside!” – 2 Jahre nach dem Einsturz von Rana Plaza: Charlott auf der Mädchenmannschaft über den Einsturz der Textilfabrik in Bangladesh.

Unfassbarer Artikel auf spiegel.de: „Kritik an Gedenkfeier zur KZ-Befreiung: ‚Dieser Kontrast war beschämend'“.

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