ArchiveJuni 2014

Schutzzonen

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Im US-Bundesstaat Massachusetts wurde diese Woche ein Gesetz durch den Supreme Court aufgehoben, das rund um Abtreibungskliniken Schutzzonen festlegte. Sieben Abtreibungs-GegnerInnen hatten die Klage initiert – und gewonnen. Die Schutzzonen würden dem First Amendment, der Redefreiheit, widersprichen. In den USA hat es bereits mehrmals gewalttätige Ausschreitungen vor bzw. in Abtreibungskliniken gegeben, 1994 erschoss ein radikaler Abtreibungsgegner in Massachusetts zwei Klinik-Mitarbeiterinnen.

Rachel Maddow kritisiert die fatale Entscheidung und wirft einen Blick auf die Geschichte der Gewalt, die in den USA von radikalen AbtreibungsgegnerInnen ausgeht:

Die Hymne, Gabalier und Werbegelder

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Schon 2011 habe ich über die Töchter und die Bundeshymne gebloggt. Ich wollte eigentlich nie mehr über das Thema schreiben (warum ich die Töchter in der Hymne gut finde, könnt ihr im Blogbeitrag nachlesen), mich nie mehr mit den „Haben wir denn keine anderen Sorgen!“-Menschen auseinandersetzen. Aber dann singt ein Schlagerstar bei einem Energy-Drink-Autorennen die Bundeshymne und ganz Österreich hat keine anderen Sorgen interessiert sich dafür. Mit den Aussagen von Andreas Gabalier möchte ich mich gar nicht im Detail auseinandersetzen, er hat gestern im ZIB24-Interview ziemlich viel Blödsinn gesagt (unter anderem, dass sich das Parlament doch nach den Foren-Poster_innen richten solle). Ich hoffe ja fast, dass diese ganze Aktion ein PR-Stunt seines Managements ist und er nicht wirklich hochmotiviert durch Österreich tingelt, um „österreichisches Kulturgut zu erhalten“.

Dass die ZIB24 eine Studio-Diskussion organisiert und Ö3 auf seiner Website über die Töchter in der Hymne abstimmen lässt – mittlerweile hat auch Steiermark.orf.at mit einer noch blöderen Abstimmung nachgelegt – ärgert mich (Der Text ist eigentlich gesetzlich festgelegt, wer sich für den juristischen Aspekt interessiert, sollte am Frauenring dranbleiben). Ich unterstelle dem ORF nämlich, dass hier einfach auf die Klickzahlen geschielt wird, weil das Thema so schön polarisiert. Über 90 Prozent stehen auf der Ö3-Website hinter Gabalier und ich kann mir gut vorstellen, dass der Radiosender das Endergebnis mit „Österreich hat abgestimmt“ oder so ähnlich präsentiert. Dass eine solche Abstimmung repräsentativ sei, glaubt ja auch Herr Gabalier. Natürlich lässt sich so eine Geschichte medial gut ausschlachten, aber zumindest der ORF (wie war das noch mal mit dem öffentlichen Auftrag?) könnte sich solche billigen Strategien sparen. Mich frustriert es auch deshalb, weil ich in der Rolle der Öffentlichkeitsarbeiterin immer wieder mal versuche, Medien für feministische Themen zu interessieren – was verdammt schwierig ist. Im März habe ich mich zuletzt besonders geärgert: Da wird die größte Studie zu Gewalt gegen Frauen in sämtlichen EU-Ländern präsentiert und die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks fällt äußerst dürftig aus. Ich hätte mir z.B. ein „Im Zentrum“ zu dem Thema gewünscht (den „Club 2“ gibt es ja nicht mehr), fundierte Diskussionen mit Expert_innen zu Hintergründen usw. Leider nein.

Bin ich jetzt eigentlich selbst eine von den „Haben wir denn keine anderen Sorgen!“-Menschen? Unterschätze ich die Bedeutung der Diskussion? Was ich auf jeden Fall unglaublich lustig finde: Mir begegnen oft Menschen, die meinen, „die Feministinnen“ würden sich vorrangig um Sprache und „andere Banalitäten“ statt um die wirklichen Probleme kümmern. Besonders eifrig melden sie sich aber dann zu Wort, wenn es um das Binnen-I, den Begriff Heteronormativität oder einen geänderten Hymnen-Text geht. Die Bedeutung von Sprache kann mensch offensichtlich gar nicht überschätzen.

Zum Schluss noch ein Vorschlag für den ORF, falls schon die nächste Diskussionssendung in Planung ist: Interessant wären doch die Fragen (worauf mich gerade eine Kollegin hingewiesen hat), wozu es Nationalhymnen eigentlich braucht und welche Töchter und Söhne denn da gemeint sind.

PS. Zum an die Wand pinnen noch ein Zitat von Brigitte Hornyik, Verfassungsjuristin und stv. Vorsitzende des Frauenrings: „In der Frauenpolitik gibt es sehr viel zu tun, wenn nicht einmal symbolische Signale für den gesellschaftlichen Wert der Frauen in der Gesellschaft unumstritten sind.“

Andere Blogbeiträge zum Thema:

Ingrid Brodnig über den Shitstorm gegen Gabriele Heinisch-Hosek
Barbara Kaufmann ebenfalls über die Ministerin und hasserfüllte Sprache

24-Stunden-Betreuung

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Ich freue mich, euch wieder einmal eine Diplomarbeit vorstellen zu können: Anna Fox hat ihr Studium der Internationalen Entwicklung mit einer Forschungsarbeit über transnationale Care-Migrantinnen aus der Slowakei, die in Österreich arbeiten, abgeschlossen. Sie lebt aktuell in Wien und hat außerdem Slawistik studiert.

Was ist das Thema deiner Arbeit?

Die Pflege und Betreuung älterer Menschen ist eine Thematik, die im Zuge gegenwärtiger demographischer Entwicklungen zunehmend an Relevanz gewinnt. Eine Möglichkeit, auf den steigenden Bedarf in diesem Bereich zu antworten, ist die 24-Stunden-Betreuung im häuslichen Rahmen. Seit Beginn der 1990er Jahre wird in Österreich auf diese Option zunehmend zurückgegriffen, wobei die Betreuungskräfte, die in diesem Bereich tätig sind, v.a. aus den neuen EU-Ländern und in erster Linie aus der Slowakei kommen. Da diese Form von Arbeitsverhältnis für eine überwiegende Mehrheit der Beschäftigten mit einer regelmäßigen Abwesenheit von ihrem Herkunftskontext einhergeht, ist davon auszugehen, dass dort Auswirkungen auf persönliche Lebenswelten und insbesondere auf die Beziehungspflege und die Organisation von Fürsorgearbeit im Haushalt und im familiären Umfeld bemerkbar sind.

Meine Diplomarbeit zielt darauf ab, zu verstehen, wie die Arbeits- und Lebensrealitäten von Personenbetreuerinnen in Österreich mit jenen in ihrem Herkunftskontext (eingeschränkt auf die Slowakei) interagieren und wie die Veränderungen, die so zustande kommen, von ihnen wahrgenommen werden.

Was sind deine zentralen Fragestellungen?

Im spezifischen untersucht meine Diplomarbeit die Frage, wie sich die persönlichen Lebenswelten von in Österreich tätigen Betreuungskräften in der 24-Stunden-Betreuung mit Herkunftsland Slowakei durch die zirkuläre Arbeitsmigration (meisten in 14-tägigen Abständen), die mit ihrer Beschäftigung einhergeht, allgemein und insbesondere in Bezug auf ihre soziale Einbettung, Fürsorge-Arrangements und die geschlechterspezifische Arbeitsteilung im eigenen Haushalt sowie im familiären Umfeld verändern.

(mehr …)

Vom Burgtheater und anderen patriarchalen Krisenfeldern

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Dieses Interview mit Barbara Klein ist bereits in der Mai-Ausgabe der an.schläge erschienen. 

Nachdem Matthias Hartmann im März fristlos entlassen wurde, steht nun mit Interimsdirektorin Karin Bergmann erstmals eine Frau an der Spitze des Burgtheaters. Überrascht dich das?

Barbara Klein: Nein. Wo aufgeräumt werden muss, greift man gerne auf Frauen zurück. Karin Bergmann hat auch selbst in einem Interview gesagt, dass sie schon als Trümmerfrau bezeichnet wird. Außerdem gibt es für sie keine Gewissheit darüber, ob sie als Direktorin bleiben darf, wenn sie das will. Sie muss das Desaster jetzt in Ordnung bringen, da wird wohl Menschenunmögliches von ihr verlangt. Und das, nachdem die gesamten Aufsichtsräte versagt haben. Das ist wirklich unglaublich, vor allem wenn ich daran denke, dass bei uns in der Freien Szene jede Rechnung dreimal umgedreht wird. Und am Burgtheater sind die Millionen einfach so ausgegeben worden auf irgendwelche mündlichen Zusagen hin. Dabei haben die dort Aufsichtsräte und eine Holding – die wir nicht haben. Wie kann das also passieren? Solche Ereignisse sind schlecht für die zeitgenössische Kunst insgesamt, weil das am Stammtisch leicht ausgeweitet wird, und man meint, alle würden so agieren und gehen mit 250.000 Euro im Sackerl raus, ohne sich dafür verantworten zu müssen. Die Gefahr ist groß, dass es auf die gesamte Theaterszene zurückfällt, auch auf uns, die wir korrekt und mit einem Bruchteil des Geldes arbeiten – und noch dazu wesentlich innovativer als die meisten der restaurativen Tanker.

2011 hat sich Sonja Ablinger angesehen, wie viele Frauen als Leiterinnen, Autorinnen oder Regisseurinnen an deutschsprachigen Theatern tätig sind und festgestellt, dass sie fest in Männerhand sind. Sollte es an den Staatstheatern verpflichtende Quoten geben?

Unbedingt. Das lässt sich ja auch ganz leicht umsetzen. Es ist eine klare Sache, dass Frauen als Kunstkonsumentinnen deutlich überrepräsentiert sind, also nicht nur im KosmosTheater, jedes Publikum besteht mehr oder weniger zu sechzig Prozent aus Frauen und zu vierzig Prozent aus Männern. Und diese Frauen bekommen eine Welt vorgesetzt, die mit ihrer relativ wenig zu tun hat. Diese konservative Theaterwelt ist einfach eine urpatriarchale, um nicht zu sagen phallokratische Welt, die nicht einmal im Ansatz kritisiert wird. Und dann wundert man sich, dass junge Leute keinen Zugang finden zur Sprechkunst. Natürlich muss eine Quote her, es gibt an den großen Bühnen im deutschsprachigen Raum nach wie vor nur fünf bis zehn Prozent Autorinnen. An den kleineren Häusern ist es leider auch nicht viel besser, der Großteil der Kulturinstitutionen ist in männlicher Hand. Natürlich heißt das nicht, dass sich alles ändert, wenn einmal eine Frau die Leitung übernimmt. Es ist ein strukturelles Problem, es braucht sehr viel mehr Frauen in leitenden Positionen, nicht nur Einzelkämpferinnen. Und dann immer diese Ausrede, dass es in den Klassikern eben mehr Männerrollen gäbe und man deshalb nichts tun könne. Natürlich kann man etwas tun, nämlichvermehrt zeitgenössische Kunst spielen – so wie wir das tun.

Die IG Freie Theaterarbeit hat jüngst kritisiert, dass es am sozialdemokratischen Gespür für Verteilungsgerechtigkeit mangle. In Wien ist im letzten Jahrzehnt das Budget für darstellende Kunst signifikant gestiegen, von 73 Mio. Euro im Jahr 2004 auf 101 Mio. Euro im Jahr 2010, der Großteil des Zuwachses ging allerdings an Großbühnen – allein die Renovierung des Musical-Theaters Ronacher kostete einen zweistelligen Millionenbetrag.

Ja, ausreichend gefördert werden fast ausschließlich die großen Häuser. Es wird insgesamt immer weniger die Kunst selbst gefördert, auch in der bildenden Kunst gibt es kaum mehr Ankäufe zeitgenössischer Werke durch den Staat. Nur in die eh schon Bekannten und sozusagen in die Wertsteigerung zu investieren, das bringt die Kunst nicht weiter. Wo soll der Nachwuchs herkommen, woher die neuen Ideen, die politische Kunst? Es geht ja fast nur noch um den Marktwert, um Marketing, das ist tödlich für die Kunst, für den Nachwuchs und für die Lebendigkeit. Und wenn man meint, Kunst auf den Tourismus ausrichten zu müssen, dann sollte auch das Geld dafür aus dem Tourismus kommen und nicht aus dem Kulturbudget. Außerdem ist es eine furchtbar kurzsichtige Haltung, wenn das Neue und Innovative nicht gehegt und gepflegt wird. Aber es deckt sich mit der Gesamtpolitik, wo auch nur noch in Legislaturperioden gedacht wird.

Seit 1. März 2014 fungiert Josef Ostermayer als Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst, zuvor waren Kunst und Kultur im Unterrichtsministerium angesiedelt. Siehst du darin eine Aufwertung der Kulturpolitik?

Nein, also das kann keine Aufwertung sein. Ähnlich wie bei der Frauenpolitik braucht es ein eigenes Ministerium mit ausreichendem Budget und nicht nur eine Hülle. darüber, was von Ostermayer zu erwarten ist, kann ich noch nicht viel sagen. Hartmann hat er ja bereits fallen gelassen, aber ob strukturell etwas geändert wird und die Rolle der Holding hinterfragt wird, das kann man noch nicht erkennen. Sagenhaft ist, dass mittlerweile alle großen Häuser in dieselbe Kerbe schlagen: Wir brauchen mehr Geld – das ja nicht vorhanden ist, nachdem es die Hypo fressen wird. Und wir haben keine Chance, darzulegen, was für ein großes Potenzial in der Szene vorhanden ist und wie wichtig es wäre, Theater abseits der großen Häuser zu fördern. Auch arbeiten KünstlerInnen viel zu oft prekär oder geringfügig, hier muss einmal für Gleichstellung gesorgt werden. Wie kann es sein, dass Leute an großen Häusern sozialrechtlich abgesichert sind und KünstlerInnen, die die gleiche Arbeit unter wesentlich schwierigeren Bedingungen machen, letztendlich mit leeren Händen dastehen?

Matthias Hartmann hat bei der Feier zum 125-Jahr-Jubiläum des Burgtheaters die Theater als Rückgrat für das kulturelle Selbstbewusstsein Österreichs bezeichnet. Profitieren kleinere Theater denn von Häusern wie der Burg?

Nein, da besteht eine große Kluft, es gibt überhaupt keine Wechselwirkung – mit wenigen Ausnahmen. Wir haben zum Beispiel die Schauspielerin und Regisseurin Elisabeth Augustin sehr stark ins KosmosTheater eingebunden, weil sie sich sehr für Frauen engagiert und eine großartige Künstlerin ist. Auch unseren aktuellen Autorinnen-Wettbewerb haben wir aufgrund ihrer Initiative gestartet. Aber das hat etwas mit persönlichem Kontakt und gegenseitiger Wertschätzung zu tun. Insgesamt gibt es ganz wenig Kommunikation, keinen wirklichen Austausch. Es ist offensichtlich ein No-Go für Burgdirektoren, KünstlerInnen aus der Szene auch nur gastweise zu beschäftigen oder zu testen, und umgekehrt werden die SchauspielerInnen nicht freigestellt. Also wenn wir jemanden für ein Stück anfragen, dann geht das allenfalls, wenn die Person bereits pensioniert ist. Auch inhaltlich gibt es kaum Anbindung, wenig Austausch beim Publikum. Das sieht man immer daran, welche Begeisterung es in der Burg gibt, wenn einmal statt teuren Bühnenbildern nur einfache Mittel eingesetzt werden – das gibt es bei uns seit eh und je, schon aus Not.

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Foto: Bettina Frenzel

Barbara Klein ist Gründerin und Intendantin des KosmosTheaters Wien, dem „Theater mit dem Gender“, dessen Spielplan überwiegend aus Stücken von Dramatikerinnen besteht, die zumeist von Regisseurinnen inszeniert werden.

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