Father and Son

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„Das Ende der Väter-Diskriminierung“, titelt der SWR Online. Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das in den vergangenen Wochen für Aufsehen gesorgt hat. Ein deutscher  Vater kämpfte viele Jahre für ein gemeinsames Sorgerecht für seine uneheliche Tochter und hat vom Europäischen Gerichtshof schließlich Recht bekommen: Unverheiratete Väter dürfen in Sachen gemeinsames Sorgerecht verheirateten Vätern gegenüber nun in Deutschland nicht mehr benachteiligt werden.

Auf den ersten Blick ein notwendiger Schritt: Dass unverheiratete Väter jenen mit Trauschein nicht gleichgestellt sein sollten, mutet realitätsfremd an. Der Weg zum Standesamt ist heute für viele Paare nicht mehr die logische Konsequenz einer Liebesbeziehung. In Österreich ist die rechtlige Lage eine andere. „Eheliche und uneheliche Väter sind in Österreich gleich gut – oder schlecht – gestellt“, sagt die Familienrechtsexpertin Deixler-Hübner im „diestandard„-Interview. Seit 2001 gelten für außereheliche Eltern bei einer gemeinsamen Obsorge die selben Bestimmungen wie für einst verheiratete Paare. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat also keine unmittelbare Bedeutung für den österreichischen Rechtsbereich.

Dennoch liegt in Österreich einiges im Argen. Es ist versäumt worden, Vaterschaft ganz grundsätzlich zum Thema zu machen, zur Diskussion zu stellen. Sowohl politisch, als auch gesellschaftlich. Die traditionellen Väter, die vornehmlich eine Rolle als Familienernährer erfüllen, haben ausgedient, sie entsprechen häufig nicht mehr der Lebensrealität junger Menschen. Männer und Frauen absolvieren eine Ausbildung, finden (im besten Fall) einen Arbeitsplatz und entscheiden sich vielleicht eines Tages für Nachwuchs. Und das Kind nennt sich für eine Frau dann „Karriereknick“, bemerkte ein Kabarettist unlängst. Kinderbetreuung ist in Österreich nach wie vor ein Frauen-Thema. Im Sommer 2007 forderte der ehemalige  Sozialminister Erwin Buchinger erstmals einen staatlich bezahlten „Papamonat“, um Männer in Österreich in die Erziehungsarbeit nach der Geburt einzubinden. Die ÖVP ruderte draufhin sogleich zurück und forderte einen „Sonder-Urlaub“ nach der Geburt.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat schließlich nicht für einen Papamonat, sondern für eine neue Variante des Kindergelds gekämpft und nach längerem Ringen eine Einigung mit der ÖVP erzielt. Das Kindergeld kann nun in fünf Varianten bezogen werden, darunter befindet sich eine einkommensabhängige Variante. Eltern, deren Kinder ab 1. Oktober 2009 geboren wurden, können das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bis zum 14. Lebensmonat in Anspruch nehmen, wenn sich die Eltern die Zeit mit dem Kind teilen. Damit sollen auch Väter motiviert werden, mindestens zwei Monate bei ihrem Nachwuchs zuhause zu bleiben.

Österreich hat hier reichlich Aufholbedarf, derzeit nehmen nur rund 3,5 Prozent der Väter eine Karenzzeit in Anspruch. Während in Island und Schweden Väter 2005 im Durchschnitt 10,4 bzw. 9,2 Wochen Vaterschaftsurlaub nutzten, waren es in Österreich nur 0,4 Wochen. Laut einem aktuellen OECD-Bericht liegt Österreich bei Geburtenrate, Karenzurlaub und der Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen gar unter dem Durchschnitt der dreißig untersuchten Länder. Die Väterkarenz kann in Österreich seit dem Jahr 1990 in Anspruch genommen werden, wobei der (niedrige) Anteil der Karenzväter in den vergangenen Jahren nur langsam angestiegen ist (zum Vergleich 1999: 1,6 Prozent).

Solche Zahlen spiegeln sich auch in der Lohnstatistik wider. Frauen verdienen in Österreich noch immer rund 20 Prozent weniger, die Teilzeitbeschäftigung steigt kontinuierlich. Zwischen 1975 und 2000 hat sich die Teilzeitquote von Frauen gar von 14 Prozent auf 29 Prozent verdoppelt. Die Teilzeitquote der Männer wuchs lediglich von 1 auf 3 Prozent an. Bei weiblichen Teilzeitbeschäftigten ist der Anteil von Frauen mit Kindern dabei besonders hoch. Mehr als die Hälfte geht einer Teilzeitbeschäftigung nach, Frauen ohne Kinder machen nur ein Viertel aus.

Während in Ländern wie Schweden oder Frankreich ein gut ausgebautes System der öffentlichen Kinderbetreuung selbstverständlich ist, bleibt man im katholischen Österreich skeptisch. Wenig verwunderlich, dass es auch an männlichen Vorbildern fehlt, was eine engagierte Vaterschaft betrifft. Junge Männer mit Kleinkindern auf dem Arm – das ist in Österreich nach wie vor kein selbstverständliches Bild. Im Zuge von Recherchearbeiten für einen Dokumentarfilm hat mir ein junger Lehrer erzählt, dass er regelmäßig von Fremden angesprochen wird, wenn er mit seinem fünf Monate alten Sohn um den Bauch geschnallt auf die Straße geht. Die neugierigen Blicke in der Straßenbahn fallen ihm dabei kaum noch auf. Christoph hat ein Jahr in Elternteilzeit gearbeitet, um Zeit für seinen Sohn zu haben. „Was tust du denn dann zuhause? Da wird dir ja langweilig werden!“, meinte sein Vater dazu. Christoph war sich bewusst, dass ihm als Lehrer eine Auszeit recht leicht fiel. „Ich weiß nicht, ob ich das gemacht hätte, wenn ich in der Privatwirtschaft gearbeitet hätte“, erzählte er mir.

Und hier beißt sich die Katze wieder in den Schwanz. Frauen verdienen weniger, dann bleiben sie auch beim Kind zuhause. Zwei gut verdienende Menschen mit sicheren Jobs wie Christoph und seine Frau sind eher der Ausnahmefall. „Männerrolle und Vaterrolle stehen sich in unserer Gesellschaft immer noch gegenseitig im Wege. So kann sich auch kein neues, für eine Mehrheit der Männer greifbares Vatervorbild entwickeln, an dem sie sich sozial einvernehmlich orientieren können. Dieses aber ist überfällig, denn viele Männer wollen und können sich nicht mehr an ihren Vätern orientieren, finden aber auch wenig gesellschaftliche und institutionelle Resonanz auf ihrer Bedürftigkeit“, schreibt der Soziologe Lothar Böhnisch zudem in seiner Publikation zur „Männlichen Sozialisation“.

Daneben sei der steigende Externalisierungs- und Verfügbarkeitsdruck der Arbeitswelt ebenso schwierig mit engagierter Vaterschaft zu vereinbaren. Während fortschrittliche Unternehmen wie etwa „AVL List“ in Graz insbesondere für ihre Angestellten auf mittlerer und höherer Führungsebene flexible Arbeitsmodelle entwicklen, sieht die Realität für den durchschnittlichen Arbeiter oder Angestellten meist anders aus. Ein Elektriker in einem Klein- oder Mittelbetrieb in Karenz? Nach wie vor schwer vorstellbar.

In diesem Sinne braucht es eine Politik, die die Zeichen der Zeit erkennt und entsprechend handelt. Es geht darum, Elternschaft und Kinderbetreuung als gesamtgesellschaftliches Thema mit all seinen Verstrickungen wahrzunehmen. Es geht um Rechte und Pflichten, um persönliche Freiheiten und gerechte Verhältnisse, es geht um jeden einzelnen Vater –  nicht nur um Scheidungsväter.

PS. Aufruf! Du bist ein (junger) Vater und hast Lust, mir von deinem Alltag, seinen Herausforderungen und Problemen zu erzählen und lässt dich vielleicht auch von mir ablichten? Dann melde dich bitte unter denkwerkstattblog@gmail.com!

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brigittethe

3 comments

  • Vorweg: Ja! Frauen müssen gleich viel verdienen wie Männer, Ja! Väter sollten mehr Karenz nehmen und ein gesellschaftliches Umdenken gehört her!

    Aber!
    Zu sagen: „Frauen verdienen weniger, dann bleiben sie auch beim Kind zuhause.“ und dieses „Männer- und Väterrolle“-Ding sind Blödsinn! Sorry, dass ich das so drastisch sage… Klingt sehr populistisch nach Druck-Feminismus…

    Fakt ist: Selbst wenn Frauen gleich viel oder mehr verdienen als Männer, bleiben sie mehr beim Kind zu Hause, und nicht, weil sie dazu gesellschaftlich oder gar vom Vater gezwungen werden, sondern weil SIE SELBST das so wollen! Und sie haben Recht damit. Ein Kind braucht gerade in den ersten 18 Monaten die Mutter mehr als den Vater. Daran ist nichts zu rütteln… das ist die Natur. Warum wohl müssen Kinder gestillt werden bzw. ist das Stillen bzw. Muttermilch (am besten die der eigenen Mutter!) immer noch das Gesündeste und Beste für die Entwicklung und Gesundheit eines Babies?
    Meine Frau verdient viel mehr als ich und obwohl es derzeit eine enorme finanzielle Belastung für uns bedeutet, was uns zusätzlich psychisch belastet, war es für uns selbstverständlich, dass nur sie die ersten Jahre daheim bleibt. Ich werde natürlich auch so lange als möglich in Karenz gehen und das genießen.
    Es ist aber wirklich absoluter Blödsinn, die Vater-Mutter-Rollen mit Hilfe der Frau-Mann-Rollen in der Gesellschaft oder den finanziellen Diskrepanzen erklären zu wollen…
    Vater und Mutter sein sind völlig natürliche und auch hormonelle Prozesse (auch Lern-Prozesse!), wobei Geschlechter-Rollen den geringstmöglichen Einfluss darauf haben…
    Man stelle sich vor, 95% aller Frauen würden viel mehr als die Männer verdienen und deshalb direkt nach der Geburt weiterarbeiten während die Väter in Karenz blieben (das suggeriert obiger Artikel) und die Babies mit abgepumpter Muttermilch (die dadurch sehr schnell zur Neige geht, womit wir ein allgemeines Problem mit mangelnder Muttermilch hätten!!) versorgen würden – na hallo! viel Spass mit einer völlig unnatürlichen Entwicklung!
    Und wenn jetzt irgendwer sagt: „Aber das benachteiligt die Frauen!“ sollte mal darüber nachdenken, was denn bitteschön der Nachteil daran sein soll, beim Kind daheim zu sein?

    Es ist einfach: Gebt den Eltern genug Geld, um eine Familie gründen zu können, gebt den Vätern die Möglichkeit eines Papamonats und mehr Karenz (ich bin für vollfinanzierte 2+2 Jahre, erspart uns auch die Kinderbetreuung, hätte einen dauerrotierenden Arbeitsmarkt zur Folge, etc. etc.), aber BITTE:
    lasst die Mütter Mütter sein und die Väter Väter – das passt schon so, wie die Natur das vorgibt…

  • dachte ich mir, dass von dir da eine reaktion kommt 🙂

    nur kurz: nichts von meinen aussagen ist in einem normativen sinne zu verstehen. das mit dem „frauen verdienen weniger“ wird lediglich bei umfragen oft als grund genannt. ich habe überhaupt keine meinung dazu, wann jemand wie lange in karenz gehen soll… aber ich denke (oder hoffe), das geht aus meinem beitrag auch hervor.

    wenn du sagst, das alles wird von „hormonen und der natur“ bestimmt, ist das normativ. und historisch gesehen sind solche erklärungen gerade im aufwind, aber es gibt ja kein zu 100 prozent objektives wissen…

  • naja..normativ.. natürlich ist das normativ! es gibt ja auch keine Alternative… wenn es die gäbe, würde ich ja auch nichts sagen 😉 Ich wäre sehr sehr gerne von Anfang an zu Hause und würde mich um die Klane kümmern… es wäre auch finanziell das EInfachste – es ist aber nicht das Beste für sie!

    Babies brauchen Muttermilch, Muttermilch wird von der Mutter produziert, Basta!
    Abpumpen ist schlicht und einfach kein Ersatz, erstens fehlt die körperliche Nähe und zweitens wird die Produktion von Muttermilch durch das Saugen des Babies angeregt…
    Außerdem kann man mütterliche und väterliche Liebe nicht einfach tauschen bzw vergleichen, das ist allein schon hormonell was völlig anderes… ich sage ja nicht, dass andere Modelle grundfalsch sind… wie z.B. homosexuelle Partnerschaften und Kinder, natürlich funktioniert das!
    Ach herrje, da könnte ich jetzt seitenlang und stundenlang weiterschreiben, das ist ein unglaublich komplexes Thema, inklusive Erziehung, Role-Models, psychische Auswirkungen, gesellschaftliche Auswirkungen, wirtschaftliche Auswirkungen, etc. etc.

    Fakt ist und bleibt! Sind wir an einem Punkt angekommen, an dem wesentlich weniger Frauen stillen als jetzt schon, werden wir eine Fülle von Problemen bekommen… angefangen von: Woher kriegen wir die Muttermilch? Auch stillende Frauen haben keinen unendlichen Vorrat…

By brigittethe

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